Der Bundesrat zeigt Brüssel im EU-Poker die kalte Schulter: Es sei klar, dass eine «Reanimation» des totgesagten Abkommens nun von der EU kommen müsse, so Aussenminister Ignazio Cassis (60) in einem Interview von CH Media. Auch Guy Parmelin (61) hatte am vergangenen Freitag nach seinem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) deutliche Worte in diesem Sinn gewählt.
Bei Cassis' Parteifreund und Vorgänger Pascal Couchepin (79) kommt diese Haltung ganz schlecht an. «Der Bundesrat meint, er zeige Muskeln», sagt der Walliser alt Bundesrat gegenüber der «Schweizer Illustrierten». «Aber es erinnert mich mehr an einen Chilbi-Schausteller.»
Angst vor Einwanderung in Sozialhilfe sei übertrieben
Dass Bundespräsident Parmelin von Brüssel «eine Garantie, dass die Punkte, die die vitalen Interessen der Schweiz betreffen, immunisiert werden» verlange, sei falsch. Denn immunisieren, das heisse, es gebe keinen Spielraum für Verhandlungen.
Zudem sei die Angst – etwa vor der Unionsbürgerrichtlinie – übertrieben. «Angeblich droht da eine Einwanderung in unser Sozialsystem von Unionsbürgern, die sich in der Schweiz niederlassen, aber nicht hier arbeiten wollen», so der Walliser. Die einzigen EU-Bürger, die er kenne und die hier leben wollen, ohne zu arbeiten, seien eher Reiche. «Wer wird wirklich in die Schweiz einwandern wollen, um nachher von 900 Franken Sozialhilfe zu leben? Es ist eine Phantomdiskussion.»
Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:
- Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
- Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
- Wie sichergestellt wird, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
- Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.
Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein, dürfen also nicht unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.
Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:
- Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
- Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
- Wie sichergestellt wird, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
- Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.
Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein, dürfen also nicht unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.
Schweiz kusche vor USA und China
Weil die Landesregierung sich Detailfragen verliere und es allen recht machen wolle, vergesse sie die entscheidenden Fragen, so Couchepin. «Ist es gut für die Schweiz, mit der EU in wesentlichen Punkten des Zusammenlebens kein geordnetes Verhältnis zu haben?»
Die EU sei unser wichtigster Handelspartner, gefolgt von den USA und China. Gegenüber diesen beiden «kusche» die Schweiz ständig. Die USA etwa «haben uns gezwungen, das Bankgeheimnis abzuschaffen, und jetzt fordern Sie von uns eine Mindeststeuer von Unternehmen», so Couchepin. «Trotzdem suchen wir stets brav eine Lösung, eine Lösung, wo wir zeigen, dass wir gehorchen.»
Mehr zum Kampf um das Rahmenabkommen
Auch mit China sei der Umgang ein pragmatischer: Die Schweiz akzeptiere chinesische Vorgaben, «auch wenn die Menschenrechtslage dort nicht in Ordnung ist. Wir arrangieren uns, ohne gross auszurufen».
Anders in der Beziehung zu Brüssel: «Wenn es um die EU geht, markieren wir Stärke und verbieten uns jede Konzession, die wir gegenüber den USA und China klaglos eingehen. Mehr noch: Wir fordern keck von der EU, sie solle sich unseren Regeln unterwerfen», kritisiert der Freisinnige. «Wir wollen Partner sein. Und wir behandeln die EU schlechter als die USA und China.»
Unterschreiben und vors Volk mit dem Vertrag
Geht es nach Couchepin, solle der Bundesrat die jüngsten Vorschläge von Brüssel und Bern in Übereinstimmung bringen und dann den Vertrag dem Parlament und später dem Volk vorlegen. Tue er das geschickt, so ist Couchepin zuversichtlich, werde das Rahmenabkommen auch eine Mehrheit finden.
Der amtierende Bundesrat Cassis hält das Abkommen hingegen für nicht mehrheitsfähig. «Das kann nur ein Volksentscheid zeigen», so Couchepin. Doch um zu gewinnen, müsse der Bundesrat Leadership zeigen. Stattdessen herrsche eine «Krämergeist», die Landesregierung vermittle keine Vision mehr und habe «Angst vor dem Volk und der direkten Demokratie».
Eine Woche nach dem Treffen von Bundespräsident Guy Parmelin (61) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) in Brüssel haben die beiden Unterhändlerinnen erneut miteinander telefoniert. Das Gespräch habe auf Initiative der EU-Kommission statt gefunden, schrieb diese am Freitag auf Anfrage von Schweizer Journalisten.
Zum Inhalt, was Staatsekretärin Livia Leu (60) und EU-Chefunterhändlerin Stéphanie Riso (45) konkret besprochen haben, wollte sich die EU-Kommission hingegen nicht äussern.
«Lösungen sind möglich»
Erneut betonte die Brüsseler Behörde, die EU sei bereit, eine Lösung beim institutionellen Rahmenabkommen für die von der Schweiz genannten Probleme zu finden. Die letzten Meter bei Verhandlungen seien zwar immer die schwierigsten, doch «Lösungen sind möglich, wenn beide Parteien Flexibilität zeigen».
Ein nächstes Telefongespräch sei kommende Woche vorgesehen, hiess es seitens der EU-Kommission weiter. (SDA)
Eine Woche nach dem Treffen von Bundespräsident Guy Parmelin (61) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) in Brüssel haben die beiden Unterhändlerinnen erneut miteinander telefoniert. Das Gespräch habe auf Initiative der EU-Kommission statt gefunden, schrieb diese am Freitag auf Anfrage von Schweizer Journalisten.
Zum Inhalt, was Staatsekretärin Livia Leu (60) und EU-Chefunterhändlerin Stéphanie Riso (45) konkret besprochen haben, wollte sich die EU-Kommission hingegen nicht äussern.
«Lösungen sind möglich»
Erneut betonte die Brüsseler Behörde, die EU sei bereit, eine Lösung beim institutionellen Rahmenabkommen für die von der Schweiz genannten Probleme zu finden. Die letzten Meter bei Verhandlungen seien zwar immer die schwierigsten, doch «Lösungen sind möglich, wenn beide Parteien Flexibilität zeigen».
Ein nächstes Telefongespräch sei kommende Woche vorgesehen, hiess es seitens der EU-Kommission weiter. (SDA)