Medtech-Branche warnt vor Scheitern des Rahmenabkommens
«Werkplatz Schweiz wird die Folgen deutlich spüren»

Die Medizinaltechnik-Firmen haben bereits vorgesorgt für den Fall, dass das Rahmenabkommen mit der EU scheitert. Dennoch warnt die Branche vor Langzeitschäden für den Werkplatz Schweiz.
Publiziert: 28.04.2021 um 15:17 Uhr
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Aktualisiert: 02.05.2021 um 17:53 Uhr
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Das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU steht auf der Kippe.
Foto: keystone-sda.ch
Ladina Triaca

Das Rahmenabkommen mit der EU steht auf der Kippe. Scheitern die Verhandlungen zwischen Bern und Brüssel, werden die Medizintechnik-Firmen das als Erste spüren. Denn das Marktzugangsabkommen für Medizinprodukte – kurz «MRA» – läuft bereits in 28 Tagen aus. Die EU will das Abkommen nicht verlängern, sollte der Rahmenvertrag scheitern. Schweizer Firmen hätten ab dem 26. Mai keinen bevorzugten Zugang mehr zum EU-Markt, sondern würden wie Firmen aus Drittländern behandelt.

Stürzt die Branche dann in eine Krise? Nein, sagt der Präsident von Swiss Medtech, Beat Vonlanthen (64). «Der Grossteil der Firmen hat sich auf dieses Szenario vorbereitet.» Über 80 Prozent der Medtech-Hersteller hätten bereits einen sogenannten Bevollmächtigten in einem EU-Land ernannt. Dieser wird von Drittstaaten verlangt und soll die Verbindung zu den Behörden sicherstellen und für Produktfehler solidarisch haften. Als Bevollmächtigte können etwa Treuhandbüros, Händler oder Tochtergesellschaften auftreten.

Produktion neu in Deutschland

Gleich eine eigene Produktionsstätte eröffnet hat die Schweizer Firma Ypsomed. Seit 2019 produziert sie im norddeutschen Schwerin Injektionspens und Infusionssets, unter anderem für Diabetes-Kranke. «Ich bin früh davon ausgegangen, dass sich der Bundesrat nicht mit der EU einigt», sagt Ypsomed-CEO Simon Michel (44). Die Firma investiert deshalb nun stärker in der EU. «Wenn wir europäische Produkte herstellen, haben wir das ganze ‹Gschtürm› nicht», sagt er.

Ypsomed hat in den letzten drei Jahren vorsorglich sämtliche ihrer rund 100 Produkte in der EU rezertifizieren lassen. Das habe die Firma einmalig rund zehn Millionen Franken gekostet, sagt der CEO. Hinzu kämen nun jährlich ein bis zwei Millionen Franken, die beim Import der Produkte in den EU-Raum anfallen. «Für uns mit einem Jahresumsatz von 400 Millionen Franken ist das verkraftbar», sagt Michel, der sich für das Rahmenabkommen engagiert. «Aber der Werkplatz Schweiz wird die Folgen in den kommenden Jahren stark spüren.»

Branche fürchtet Import-Engpass

Das fürchtet auch Branchen-Präsident Vonlanthen: «Unsere Unternehmen haben die Ärmel hochgekrempelt und sich mit der Situation arrangiert. Daraus nun aber zu schliessen, dass das Rahmenabkommen überflüssig sei, ist ein Trugschluss.»

Der ehemalige CVP-Ständerat geht davon aus, dass sich kleine Start-ups künftig eher in der EU niederlassen und grosse Firmen wegen des bürokratischen Aufwands weniger in der Schweiz investieren. Auch bei den Importen fürchtet er einen Engpass: «Wir gehen davon aus, dass wegen der Importbarrieren künftig rund jedes achte Medizinprodukt nicht mehr in der Schweiz verfügbar wäre.»

«Zeichen des guten Willens»

Die Medizinaltechnik-Firmen fordern die Regierung deshalb auf, bis Ende Mai eine Aktualisierung des Marktzugangsabkommens mit der EU zu erreichen. «Der Bundesrat könnte als Zeichen des guten Willens jetzt beispielsweise die Kohäsionsgelder ausbezahlen und im Gegenzug eine sofortige Aktualisierung des Abkommens verlangen», schlägt Vonlanthen vor.

Klappt das nicht, hofft die Branche vorläufig darauf, dass die EU den ungehinderten EU-Marktzugang für alle bereits zertifizierten Schweizer Produkte bis 2024 verlängert. Diese Übergangslösung hatte die EU im April angekündigt – aus Angst vor einem Versorgungsengpass während der Corona-Pandemie.

Die Firma Ypsomed will längerfristig unabhängig davon stärker in der EU wachsen. An den Standorten in Burgdorf BE und Solothurn wolle man aber festhalten, sagt CEO Michel. «Unsere rund 1300 Schweizer Mitarbeitenden sind zu gut, als dass wir auf sie verzichten möchten.» Könnte die Firma aber heute nochmals bei null beginnen, würde sie wohl nicht in der Schweiz starten, sagt er.

Darum geht es beim Knatsch

Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:

  • Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
  • Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
  • Wie sichergestellt wird, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
  • Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.

Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein, dürfen also nicht unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.

Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:

  • Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
  • Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
  • Wie sichergestellt wird, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
  • Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.

Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein, dürfen also nicht unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.


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