Nein, gebrochen ist die Omikron-Welle wohl noch nicht. «Der Kulminationspunkt dürfte noch nicht ganz erreicht sein», sagte Patrick Mathys vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag an der wöchentlichen Corona-Medienkonferenz. Doch das spricht aus seiner Sicht nicht dagegen, nun Lockerungen in Angriff zu nehmen.
Der BAG-Krisenkapitän griff zum nautischen Sprachbild: «Die Omikron-Welle ist heftig. Doch zu einem Tsunami ist es glücklicherweise nicht gekommen.» Man könne davon ausgehen, dass der Wasserstand noch eine Weile steigen werde. «Der Hochwasserschutz dürfte aber nicht mehr allzu lange notwendig sein.»
Das Schlimmste dürfte geschafft sein
Oder wie es der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri, Präsident der Kantonsärzte-Vereinigung, etwas weniger blumig ausdrückte: Die Zuversicht, die in den vergangenen Wochen aufgekommen ist, habe sich als berechtigt herausgestellt. Die Zahl der Covid-Infizierten, die in Spitalbehandlung müssen, ist stabil bis leicht rückläufig. Die Auslastung der Intensivstationen hat weiter abgenommen. Und die Zahl der Covid-Todesfälle bleibt auf tiefem Niveau.
Trotz der aktuellen Fallzahlen – die weiterhin sehr hoch bleiben dürften – könne man deshalb davon ausgehen, dass die Intensivstationen von der fünften Welle verschont würden, sagte Mathys. Das Schlimmste dürfte überstanden sein.
«Allzu eilig sollten wir es nicht haben»
Dem Bundesrat wird damit der Teppich für Lockerungen ausgerollt. Schon morgen dürften Homeoffice-Pflicht und Quarantäne fallen. Die Aufhebung der Quarantäne begrüsst Kantonsarzt Hauri explizit. Angesichts der horrenden Fallzahlen mache sie keinen Sinn mehr.
Was ist mit der Zertifikatspflicht? Dazu äusserte sich Mathys nur zurückhaltend. «In Bezug auf die Fallzahlen macht das Zertifikat kaum mehr Sinn», sagte er. Gehe es aber darum, Druck aufs Spitalwesen zu nehmen, dann schon.
Personal-Engpässe befürchtet
Auf einen Schlag gleich alles aufzuheben, davor warnen die Experten weiterhin. «Allzu eilig haben sollten wir es trotz der guten Lage nicht», sagte Mathys. Weiterhin sei Vorsicht angebracht.
Das insbesondere, weil die Lockerungen wohl vorderhand dazu führen werden, dass die Fallzahlen noch stärker steigen. Die grosse Frage sei, was das dann für die Spitäler bedeute, so Mathys. Er gab zu bedenken, dass sich durch die Aufhebung von Massnahmen wieder mehr ältere Menschen anstecken könnten.
Die Zahl der Spitaleinweisungen könnte in der Folge zunehmen. Dass es zu einer Überlastung komme, glaubt Mathys aber nicht. Wenn, dann hätte eine Zunahme der Fallzahlen wohl eher Konsequenzen auf die Arbeitswelt, weil sich die Personalsituation noch einmal verschärfen könnte.
Vorsichtig in den nächsten Herbst
Vorsicht ist auch im Hinblick auf den nächsten Herbst geboten, betonten Kantonsarzt Hauri und BAG-Vertreter Mathys. Nicht nur, weil es bis dann eine neue Mutante geben könnte, die uns das Leben schwer macht. Auch für Omikron «ist der Ofen noch nicht aus», sagte Mathys. Die derzeit dominante Variante sei die Herausforderung für den Herbst. Ein recht grosser Anteil der Bevölkerung könne sich (erneut) infizieren.
Hauri sagte, die Kantone müssten sich deshalb nun überlegen, wie sehr man Contact Tracing sowie Impf- und Testzentren zurückfahren kann. Einen Kern müsse man behalten, damit man die Kapazitäten gegebenenfalls rasch wieder hochfahren könnte. (lha)