Bei Familie Marti-Glättli spricht man in diesen Tagen besser nicht über Politik – sonst könnte die Diskussion in einer Beziehungskrise enden. Balthasar Glättli (51), Grünen-Präsident und Lebenspartner von SP-Nationalrätin Min Li Marti (49), nimmt den Sozialdemokraten ihr Vorgehen bei den Bundesratswahlen übel. «Ihre Solidarität hört an ihrer eigenen Gartentür auf», wetterte er im Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Der Vorwurf: «Um ihren Sitz zu sichern, hat die SP ihre Seele an das Machtkartell der Bundesratsparteien verkauft.»
Er sei nicht hässig, ordnet Glättli tags darauf seine Aussagen ein. Die SP schaue für sich selbst zuerst, das sei ihr gutes Recht. «Das gibt uns die Freiheit, dass wir Grüne nun auch für uns selbst schauen bei künftigen Bundesratswahlen», sagt er Blick.
Grüne werfen SP Verzögerungstaktik vor
Zehn Minuten vor Beginn der Wahlen hatte die SP-Spitze am Mittwoch verkündet, keine offizielle Wahlempfehlung für Grünen-Kandidat Gerhard Andrey (47) abzugeben. Nur eine Minderheit der Fraktion wolle anstelle von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (62) ihn wählen.
Die Mehrheit fand es zu heikel, eine Retourkutsche der Bürgerlichen zu riskieren, hätten sie mitgeholfen, Cassis abzusägen. «Im besten Fall hätten wir jetzt einen Bundesrat Jositsch», bringt es ein SP-Fraktionsmitglied auf den Punkt.
Die Grünen werfen dem linken Bündnispartner vor, absichtlich erst unmittelbar vor der Wahl Farbe bekannt zu haben – um möglichst wenig Staub aufzuwirbeln. Weniger als eine Minute, bevor man vor die Medien trat, hätte die SP die Grünen informiert, heisst es.
SP wirft Grünen Strategielosigkeit vor
In Teilen der SP bringt man gewisses Verständnis auf für die Wut der Grünen. Sagt aber auch deutlich: Alles nur vorübergehendes Gebell! Die Grünen seien selber schuld. Sie hätten keine Strategie gehabt. Schliesslich hätten sie die vergangenen vier Jahre nicht genutzt, um eine gute Kandidatur aufzubauen. Denn wirklich glücklich mit der Art und Weise, wie die Grünen nach den Wahlen ihre Bundesratskandidatur lanciert haben, war bei der SP niemand.
Bei den Genossen gibt man sich aber versöhnlich: Natürlich werde man mit der Juniorpartnerin weiterhin zusammenarbeiten, ist für sie klar. Das sieht auch Glättli so. Man müsse klar unterscheiden zwischen der inhaltlichen Politik und Bundesratswahlen. «Es wäre politisch nach dem Rechtsrutsch bei den Wahlen falsch, künstlich Konflikte mit der SP zu schüren. Für mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit dürfen wir uns keine Scheinstreitereien leisten», so der Grünen-Chef.
Diesbezüglich stimmt die Tessiner Grünen-Nationalrätin Greta Gysin (40) ihrem Parteikollegen zu. Für sie ist aber klar: Was die sonstigen Beziehungen angehe, werde sich zwischen den Fraktionen etwas ändern – wie tiefgreifend diese Veränderung wird, werde sich zeigen. Denn: «So geht man nicht mit politischen Verbündeten um.»