Es herrscht dicke Luft im linken Lager. Die Grünen fühlen sich von der SP im Stich gelassen. Ihr Angriff auf den Sitz von Ignazio Cassis (62) blieb chancenlos. Mit 167 von 239 gültigen Stimmen schaffte der FDP-Bundesrat das absolute Mehr gleich im ersten Anlauf klar. Sprengkandidat Gerhard Andrey (47) kam gerade mal auf 59 Stimmen – klar weniger, als SP und Grüne zusammen hätten.
Das Verhältnis zur Schwesterpartei ist arg getrübt. Deutlich wird die Aargauer Grünen-Nationalrätin Irène Kälin (36): «Es ist schon sehr enttäuschend, dass gerade jene, die monatelang darauf abzielten, die SVP-FDP-Mehrheit im Bundesrat aufzubrechen, bei der konkreten Gelegenheit dann aber doch auch nur daran interessiert sind, ihre eigene Macht zu erhalten – und damit die Macht der Bürgerlichen in der Regierung zementieren.»
Der Stachel sitzt tief
«Die Bundesratsparteien klammern sich nach wie vor an ihre Macht und ignorieren den Willen der Bevölkerung, die überholte Zauberformel zu ändern», haut Grünen-Fraktionschefin Aline Trede (40) in dieselbe Kerbe. Die Angst vor eigenem Machtverlust sei grösser gewesen, als der Wille, das links-grüne Lager zu stärken. In der Wandelhalle des Bundeshauses nahmen sich am Mittwoch mehrere Grüne verschiedene SP-Ratskollegen zur Brust. Der Stachel sitzt tief.
Tatsächlich machte die SP schon am frühen Morgen deutlich, sie wolle ihre eigenen beiden Bundesratssitze nicht gefährden. Alle seien sich einig, dass die SVP-FDP-Mehrheit ein Problem sei für die soziale Schweiz, sagte SP-Co-Fraktionschefin Samira Marti (29) vor den Medien. Die Hilfe für Andrey könnte von den Bürgerlichen aber missbraucht werden, «Spiele zu spielen, der SP zu schaden und damit der Linken». Deshalb sei die SP-Mehrheit kritisch – auch, weil die Andrey-Kandidatur chancenlos sei.
Grüne treten wieder an
Die Liebe zur SP habe sicher nicht zugenommen, hält auch Grünen-Präsident Balthasar Glättli (51) fest: «Bei Wahlen ist die SP vor allem mit sich selber solidarisch.» Doch auch Glättli ist klar, dass sich das linke Lager bald wieder zusammenraufen muss, um politisch eine Chance zu haben.
Und: Die Grünen stellen klar, dass sie weiterhin auf einen Bundesratssitz abzielen. Auch bei den nächsten Rücktritten wollen sie deshalb mit einer Kandidatur antreten. Dann hat die SP die nächste Chance, sich solidarisch zu zeigen.