Parteipräsident Balthasar Glättli (51) ist nach der Bundesratswahl ernüchtert. «Wir schulden der SP nichts mehr», sagt er. «Wir müssen ab jetzt für uns selber schauen.»
Verrat – nichts weniger als das wirft Glättli in deutlichen Worten im Interview mit den Tamedia-Zeitungen der SP vor. Die Partei habe gezeigt, dass ihre Solidarität «an ihrer eigenen Gartentür» aufhöre.
Die SP habe zehn Minuten vor Wahlbeginn erklärt, sie unterstütze den grünen Angriff auf den FDP-Sitz von Ignazio Cassis nicht, so Glättli im Interview. «Vier Jahre lang sagte sie, der Viererblock im Bundesrat, bestehend aus SVP und FDP, müsse geknackt werden. Vier Jahre lang versicherte die SP uns Grünen ihre Solidarität. Jetzt, bei diesen Bundesratswahlen, hätte die SP diesen Worten Taten folgen lassen können.»
Ins gleiche Horn bläst die Grünen-Fraktionschefin Aline Trede (40). Zu Blick sagt sie: «Die Bundesratsparteien klammern sich nach wie vor an ihre Macht und ignorieren den Willen der Bevölkerung, die überholte Zauberformel zu ändern.»
Grünen würden sogar SP-Sitz angreifen
Die Grünen ziehen aus dem Verhalten der SP – ihrer bis dahin «natürlichen Verbündeten» – ihre Schlüsse: «Die SP hat heute eine wohltuende Klarheit geschaffen», so Glättli. «Wir können uns in aller Gelassenheit überlegen, ob wir bei einer nächsten Gelegenheit auch einen Bundesratssitz auf Kosten der SP annehmen würden.»
Denn wie die FDP seien auch die Sozialdemokraten im Bundesrat rechnerisch übervertreten. «Darum wäre auch ein grüner Sitz auf Kosten der SP besser gerechtfertigt als der Status quo.»
Mit ihrer «Nibelungentreue» zur SVP und FDP habe sich die SP einen Bärendienst erwiesen: Obwohl die Sozialdemokraten den grünen Angriff auf die FDP nicht unterstützten, hätten die Bürgerlichen trotzdem dem wilden Kandidaten Daniel Jositsch 70 Stimmen zukommen lassen, sagte Glättli. «Um ihren Sitz zu sichern, hat die SP ihre Seele an das Machtkartell der Bundesratsparteien verkauft.» (SDA/neo)