Blick zeigt, was hinter den Kulissen lief
So kam es zu den 70 Jositsch-Stimmen

Mit Beat Jans wurde ein offizieller SP-Kandidat zum Bundesrat gewählt. Doch zuvor machten die Bürgerlichen ihrem Ärger über das SP-Ticket Luft: Daniel Jositsch erhielt 70 Stimmen.
Publiziert: 14.12.2023 um 00:02 Uhr
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Aktualisiert: 14.12.2023 um 08:54 Uhr
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FDP-Chef Thierry Burkart rief seine Parteikollegen auf, sich an die Spielregeln zu halten und vom offiziellen SP-Ticket zu wählen.
Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur

Um 10.55 Uhr verschickte FDP-Chef Thierry Burkart (48) eine SMS an seine Parteikollegen. Die SP misstraue den Freisinnigen, dass sie die Spielregeln nicht einhalten würden, mahnte er, und rief seine Gspänli noch einmal explizit dazu auf, die bisherigen Bundesräte zu bestätigen und bei der Nachfolge des abtretenden Alain Berset (51) einen der beiden offiziellen SP-Kandidaten zu wählen – also Jon Pult (39) oder Beat Jans (59).

Der präsidiale Aufruf kam zu einem Zeitpunkt, als die FDP ihre beiden Sitze bereits im Trockenen hatte. Finanzministerin Karin Keller-Sutter (59) hatte ihre Wahl mit 176 Stimmen gemeistert, Aussenminister Ignazio Cassis (62) zuvor die Wiederwahl mit 167 Stimmen ebenfalls locker geschafft. Der Tessiner holte sogar mehr Stimmen als vor vier Jahren, als er nur 145 Stimmen auf sich vereinen konnte.

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Der Angriff der Grünen auf den Cassis-Sitz mit Herausforderer Gerhard Andrey (47) lief ins Leere. Der Freiburger holte nur gerade 59 Stimmen – und damit deutlich weniger als Regula Rytz (61) vor vier Jahren mit 82 Stimmen.

SP half Grünen kaum

Diesmal fehlte die geschlossene Unterstützung der SP für die Grünen. Die Sozis erachteten den grünen Angriff nicht nur als chancenlos, sondern dürften sich auch aus Angst vor parteipolitischen Spielchen mehrheitlich für Cassis ausgesprochen haben – waren die SP-Sitze doch zuletzt an der Reihe.

FDP-Chef Burkart zeigte sich trotzdem zufrieden. Zwar habe ein Teil der Genossen den Angriff auf Cassis unterstützt, befand er gegenüber Blick. «Die SP musste offenbar die Grünen bei der Stange halten.» Doch der Schaden sei in diesem Falle überschaubar. Er stellte klar: «Es gibt keine Retourkutsche der FDP. Wir werden uns ans Ticket halten.»

70 Stimmen für Jositsch

Allerdings sahen das nicht alle so. Der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (58), der es nicht aufs offizielle Ticket geschafft hatte, machte im ersten Wahlgang 63 Stimmen und damit deutlich mehr als der offizielle Kandidat Pult. Im zweiten Wahlgang waren es 70. Ganz schön viel dafür, dass sämtliche Fraktionen zuvor vollmundig verkündet hatten, keine Spielchen zu spielen.

Natürlich wollte niemand zugeben, statt Jans oder Pult den «wilden» Jositsch auf den Wahlzettel geschrieben zu haben. Blick-Recherchen zeigen, dass der Zürcher auf Support von SVP, FDP und Mitte zählen konnte.

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Je rund ein Drittel der drei Fraktionen dürfte für ihn gestimmt haben. Wobei der Anteil in der SVP noch höher liegen dürfte, hielten viele SVPler sowohl Jans als auch Pult für unwählbar.

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Bei der Mitte wiederum dürfte der Support etwas tiefer ausgefallen sein, machte sich doch selbst Bauernpräsident Markus Ritter (56) für Jans stark. Insbesondere im Ständerat haben aber einige Mitte-Männer fleissig für den Zürcher Ratskollegen lobbyiert.

Jositsch selbst hatte, wie Blick berichtete, nichts unversucht gelassen und beim einstigen SVP-Präsidenten Toni Brunner (49) angerufen, um sich Stimmen zu sichern.

Mit den Proteststimmen für Jositsch haben die Bürgerlichen ihrer Unzufriedenheit mit dem SP-Ticket Luft gemacht. Ausser dem Dialekt würde Jans und Pult kaum etwas unterscheiden, so die Kritik von rechter Seite. Und dass zumindest ein Teil der SP den grünen Angriff unterstützte, nahmen manche als Rechtfertigung für den Seitenhieb gegen links.

Jositsch blieb wieder sitzen

Für die SP kam der Mini-Angriff wenig überraschend. Nur noch den Kopf schütteln konnten einige Fraktionsmitglieder aber ob der Reaktion Jositschs. Bereits vergangenes Jahr, als es um die Nachfolge von Simonetta Sommaruga (63) ging, war der Ständerat nicht nach vorn ans Rednerpult getreten, um zu erklären, dass er nicht zur Wahl zur Verfügung stehe. Was ihm viele übel nahmen.

Und auch dieses Mal tat er: nichts. Jositsch blieb stoisch sitzen. Womit er noch mehr Geschirr zwischen sich und der Fraktion zerschlagen hat.

Doch schliesslich vertrieb Festlaune den Ärger. Am Nachmittag nach den Wahlen traf sich die SP im Kulturzentrum Progr in Bern zum Weihnachtsessen. Zur Feier des Tages sangen die Genossinnen und Genossen inbrünstig die Internationale, das Kampflied der Arbeiterbewegung. Mit dabei: der neugewählte Bundesrat Beat Jans. Jositsch fehlte.

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