Bundesrat und Parlament gewährten zahlreiche Erleichterungen
Die Rabatte für die Credit Suisse waren politisch verordnet

Der PUK-Bericht kritisiert die Kapitalerleichterungen, welche die Finma der CS gewährte. Doch die haben eine Vorgeschichte.
Publiziert: 09.01.2025 um 16:34 Uhr
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Aktualisiert: 10.01.2025 um 10:16 Uhr
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Im März 2023 schluckte die UBS die angeschlagene Credit Suisse.
Foto: AFP

Auf einen Blick

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Holger Alich
Handelszeitung

Einen Punkt stellt der Abschlussbericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zum CS-Kollaps unmissverständlich klar: Die unzureichende Kapitalausstattung der Credit Suisse, vor allem der CS AG, war ein wichtiger Krisenbeschleuniger. Die PUK widerspricht damit der Bankenlobby, die von höheren Eigenmittelanforderungen, die die Rendite und damit die Boni bremsen, nichts wissen will.

Im Fokus des Berichts steht vor allem eine Kapitalerleichterung, welche die Finma der CS ab 2019 gewährte: den sogenannten regulatorischen Filter. Dieser hebelte eine Änderung der Bilanzregeln für die Bewertung von Beteiligungen aus.

Wie kam es zum umstrittenen Filter?

Konkret wurde der CS weiterhin erlaubt, Bewertungsreserven ihrer Schweizer Banktochter mit Wertverlusten ihrer Auslandstöchter zu verrechnen. Allein im ersten Jahr der Anwendung konnte die CS AG mit diesem Kniff ihre Eigenmittelausstattung um 15 Milliarden verbessern. «Der regulatorische Filter überdeckte die reale Lage der CS AG», kritisiert die PUK. «Somit war die CS nicht gezwungen, ihre Kapitalsituation zu stärken, als dies unter Umständen noch einfacher möglich gewesen wäre.»

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Doch ist der Filter wirklich das zentrale Element für die chronischen Kapitalprobleme? Und wie kam es überhaupt dazu? «Die Umstände für dessen Gewährung konnte die PUK nicht umfassend klären», heisst es in dem Bericht. Gespräche mit Beteiligten und die Lektüre der Gutachten, welche die PUK in Auftrag gegeben hatte, zeigen nun aber, dass die Finma den Filter als Teil eines Deals gewährte. Eines Deals, an dem auch Parlament und Regierung massgeblich beteiligt waren.

Denn der Kapitalrabatt durch den Filter ist nur eine Erleichterung von vielen, die Parlament, Regierung und Finma im Konzert den Grossbanken und vor allem der CS gewährt hatten. Die Verantwortung dafür, dass die CS zu lange mit einer zu dünnen Kapitaldecke unterwegs war, ist also eine kollektive.

De facto gewährten die politisch Verantwortlichen der Credit Suisse ein Mitspracherecht bei der Ausgestaltung der Eigenkapitalregeln: Ihre Gestaltung «sah einem Prozess der Vertragsverhandlung zuweilen ähnlicher als einer blossen Konsultation», bemängelt Wirtschaftsjuristin Corinne Zellweger-Gutknecht in ihrem Gutachten für die PUK.

Diese Geschichte der Erleichterungen nahm 2011 ihren Anfang. Damals wurde das Prinzip verankert, dass die Eigenmittelanforderungen für Grossbanken auf Gruppenebene gedeckelt werden sollten. Sprich: Steigen die Kapitalanforderungen für die Banktöchter, sollte dies nicht zu höheren Anforderungen auf Konzernebene führen.

Die Banken hatten de facto Mitspracherechte

Schon dies wurde in enger Abstimmung mit den Banken beschlossen, wie die damalige Ministerin Eveline Widmer-Schlumpf im Ständerat erklärte: «Ich habe eine schriftliche Bestätigung der CS, dass das in allen Teilen genau das ist, was sie sich vorgestellt hat.»

2012 beschloss das Parlament dann die entsprechende neue Eigenmittelverordnung (ERV). Sie sah vor, dass in der Bilanz des Stammhauses der Wert der Auslandstöchter vollständig vom Eigenkapital abzuziehen sei.

Doch diese strenge Regel kam nie voll zur Anwendung. Denn die gleiche Verordnung verdonnerte die Aufsicht wieder zu substanziellen Erleichterungen. Artikel 125 der ERV schrieb der Aufsicht vor, Kapitalerleichterungen zu gewähren, damit die addierten Kapitalanforderungen der Teilbanken nicht grösser werden als die Anforderungen für die Gruppe.

Das Ergebnis: Wenn die Aufseher in Grossbritannien oder in den USA von der CS mehr Kapital für die jeweiligen lokalen Töchter verlangten, musste die Finma in der Schweiz Rabatte gewähren. Statt den Wert der Töchter voll mit Eigenkapital zu unterlegen, gingen sie nur risikogewichtet in die Bilanz des Stammhauses ein.

«Wenn überhaupt an einer Stelle von einem Regimewechsel gesprochen werden kann, dann fand er bereits im Dezember 2013 statt», folgert Zellweger. Und zwar auf Druck des Parlaments. Die Folge: Das Stammhaus CS AG wurde zum schwächsten Glied der Bank.

Eine neue Erleichterung ersetzt eine alte

Die Finma wollte diesen Artikel 125 unbedingt loswerden. Doch der war Teil des Deals zwischen Bund, Parlament und der CS. Laut der von der PUK zitierten Aussage der Finma, welche Beteiligte bestätigen, gab es in der Frage eine klare Ansage des Finanzministeriums: Nur wenn die CS mit der Streichung des Artikels 125 einverstanden ist, sollte dies angegangen werden.

«Die PUK konnte hierfür allerdings keine Belege ermitteln», heisst es im Bericht. Ex-Finanzminister Ueli Maurer konnte sich auf Anfrage ohne Akteneinsicht an Details nicht mehr erinnern, dasselbe sagt der damalige Finanzstaatssekretär Jörg Gasser. Ex-Finma-Chef Mark Branson wollte keine Stellung nehmen.

Aber auch Gutachterin Zellweger hält die Darstellung für nachvollziehbar, dass es hier einen Deal gab. «Plausibler ist ein Szenario, in dem sich die Finma namentlich mit der Credit Suisse auf eine alternative Lösung einigen musste, bevor der Bundesrat bereit war, diese Regelung in der ERV (Eigenmittelverordnung, d. Red) nachzuvollziehen und den Artikel 125 ERV abzuschaffen.»

Ohne Filter wäre die CS AG schon 2020 unter Wasser gewesen

Das Ergebnis war ein Kompromiss, der am Ende niemandem nützte: Der Artikel 125 mit dem Zwang für Erleichterungen wurde abgeschafft. Die Risikogewichte zur Kapitalunterlegung der Auslandstöchter sollten aber nur schrittweise bis 2028 erhöht werden. Hätten die neuen Kapitalregeln gleich 2017 gegolten, hätte die CS laut Zellweger-Gutachten auf einen Schlag 16,8 Milliarden neues Kernkapital gebraucht.

Die zweite Erleichterung in dem Deal war der mittlerweile berühmte regulatorische Filter, mit dem die CS davon befreit wurde, ihre Banktöchter einzeln nach Niederstwert zu bewerten und nicht mehr nach einer Sammelbewertung. «Ohne Filter wäre die CS schon ab 2020 leicht und bis im Herbst 2022 klar unterkapitalisiert gewesen», kritisiert Bankenprofessor Urs Birchler in seinem Gutachten zum Filter.

Und die UBS? Die brauchte diese Hilfe nicht, sie ist anders aufgebaut: Statt in Auslandstöchtern bucht die UBS den Grossteil ihres Investmentbankings in ausländischen Niederlassungen der Schweizer Bank.

Doch mit Blick auf die Methode, den Banken quasi Mitspracherechte bei der Regulierung einzuräumen, erscheint die Fokussierung des PUK-Berichts auf den Filter fragwürdig. Ein Ex-Finma-Manager wird deutlicher: «Das System der Erleichterungen, welche das Parlament vorher beschlossen hatte, war noch schlechter.»

Das Dilemma der Aufsicht

Für Gutachterin Zellweger ist der Filter Ausdruck eines Dilemmas der Finma: Mehr Strenge in Sachen Eigenkapital wäre zwar nötig gewesen, doch war unklar, ob die Credit Suisse die nötigen Mittel überhaupt hätte aufbringen können. Um einen Kollaps der Bank mit entsprechenden Folgen für das Finanzsystem zu vermeiden, wurden daher immer wieder Erleichterungen gewährt.

Die Aufsicht könne nur dann strenger sein, wenn es eine glaubhafte Möglichkeit gibt, eine Bank in die Abwicklung zu schicken. Diese Möglichkeit müsse nun dringend geschaffen werden.

So folgert auch Gutachter Birchler auf die Frage, wie es der CS ohne Gewährung des Filters ergangen wäre: «Möglicherweise hätte die CS überlebt – oder aber sie wäre früher untergegangen.»

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