Auf einen Blick
- EU fordert Schweiz zur Steuerhilfe auf
- Schweizer Behörden sollen ausländische Steuerforderungen eintreiben
- Negative Steuereffekte in dreistelliger Millionenhöhe drohen
Die Schweiz verhandelt mit der EU über ein neues Abkommen. Während die Gespräche in die Schlussphase gehen dürften, macht Brüssel Druck. Doch jetzt zeigen Recherchen der «NZZ am Sonntag»: Parallel zu diesen Gesprächen bahnt sich hinter den Kulissen gerade ein Streit an.
Ein vertraulicher Bericht ans Parlament, der der «NZZ am Sonntag» vorliegt, belegt dies. Darin schildern das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) von Karin Keller Sutter (60) und das Aussendepartement (EDA) von Ignazio Cassis (63), wie die EU die Schweiz bei Finanzfragen in Bedrängnis bringt.
Konkret geht es um eine Revision des automatischen Informationsaustauschs (AIA) in Steuersachen. Das Abkommen gilt seit sieben Jahren. Jetzt soll es angepasst und ausgeweitet werden.
«Völlig inakzeptabel»
Eine erste Verhandlung fand im Juli statt. «Die EU hat der Schweiz zudem offiziell mitgeteilt, dass der Rat der EU das EU-Mandat im Vergleich zum vorvereinbarten Verhandlungsgegenstand dahingehend erweitert hat, dass mit der Schweiz auch die Amtshilfe für die Vollstreckung ausländischer Steuerforderungen (Vollstreckungshilfe) vereinbart werden soll.» Das halten die Mitarbeiter der Bundesverwaltung im Bericht nach dem Treffen fest.
Damit bringt die EU eine Forderung auf den Tisch, gegen die sich die Schweiz bisher immer gewehrt hat. Die «Vollstreckungshilfe» bedeutet, dass Schweizer Behörden bei EU-Bürgern Steuerforderungen ihres Heimatstaats einziehen soll.
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Betroffen wären EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in der Schweiz leben und zum Beispiel steuerpflichtige Liegenschaften im Herkunftsland besitzen. Die Forderung geht den Bürgerlichen viel zu weit. «Wir müssten fremdes Recht umsetzen. Das ist für mich völlig inakzeptabel», sagt SVP-Nationalrat Franz Grüter (61) der «NZZ am Sonntag». Und FDP-Nationalrat Beat Walti (55) sagt: «Ich finde es wichtig, dass wir jetzt Widerstandsgeist beweisen.»
Bundesrat will darüber verhandeln
Innerhalb der EU gilt dieses Prinzip bisher für Mitgliedsstaaten. Für die Schweiz wäre das etwas völlig Neues. So steht es auch im Bericht: «Öffentlich-rechtliche Ansprüche von ausländischen Staaten sind nach geltendem Recht in der Schweiz grundsätzlich nicht vollstreckbar.»
Doch jetzt möchte die Schweizer Regierung das aufweichen. Gemäss dem Bericht will sie mit Brüssel über diese Frage verhandeln. Der Bundesrat möchte offenbar die neue Regelung «eng eingrenzen», sodass sie nur selten zur Anwendung käme.
Sollte die Schweiz nicht mitmachen, droht die EU bereits mit negativen Steuereffekten in dreistelliger Millionenhöhe für Schweizer Unternehmen. Konkret geht es um einen Passus im AIA-Abkommen: Konzerninterne Dividendenzahlungen sind steuerbefreit, doch bei einer Änderung müssten Schweizer Firmen künftig Quellensteuern im Ausland bezahlen.
Offen für das Anliegen zeigt sich die SP. «Das ist kein Problem», sagt SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (38). «Es ist absolut richtig, dass wir anderen Ländern bei der Bekämpfung der Steuerflucht helfen.» Diese sei eines der grössten Probleme Europas. Die Schweiz habe das allergrösste Interesse, ihr Image als Steueroase endlich abzulegen, so Wermuth.
Die Wirtschaftskommission des Ständerats berät die Forderungen am Montag.