Freshta Rahimi* (18) hat ein klares Ziel vor Augen. In drei Jahren will sie den Bachelor in Elektrotechnik in der Tasche haben. Die junge Afghanin lebt mit ihrer Familie im französischsprachigen Teil des Kantons Bern und macht eine Lehre als Elektronikerin in St-Imier im Berner Jura. Sie spricht fliessend Französisch, noch besser Englisch – und feilt gerade an ihrem Deutsch, um bald zweisprachig in Freiburg studieren zu können. Dabei ist Familie Rahimi erst vor wenigen Jahren in die Schweiz gekommen.
Eine Hürde auf dem Weg zu ihrem beruflichen Ziel ist Freshtas F-Ausweis. Der Buchstabe steht für vorläufig aufgenommen. Den Status bekam bisher ein Grossteil der Afghaninnen und Afghanen, weil sie bisher die Voraussetzungen nicht erfüllten, um in der Schweiz als Flüchtling anerkannt zu werden.
Schweiz gewährt Afghaninnen Asyl
Als vorläufig Aufgenommene kann Freshta unter anderem nur unter strengen Auflagen ins Ausland reisen, nicht einfach so in einen anderen Kanton ziehen und sie hat Nachteile bei der Jobsuche. So habe sie zum Beispiel den Sprachaufenthalt in London nicht machen können, der eigentlich in der Lehre obligatorisch sei, berichtet Freshta. «Die Schule musste für mich schon mehrmals eine Sonderlösung finden», sagt sie.
Nun dürften diese Einschränkungen für Freshta und viele anderen Afghaninnen bald wegfallen. Im Sommer hat der Bund seine Asylpraxis für Frauen und Mädchen aus Afghanistan geändert. Neu werden sie in aller Regel als Flüchtlinge anerkannt, erhalten Asyl und damit eine Aufenthaltsbewilligung. Auch Afghaninnen wie Freshta, die bereits in der Schweiz leben, können einen Antrag stellen, dass ihr Status geändert wird. Familie Rahimi wartet derzeit auf den Bescheid.
SVP und FDP bekämpfen Änderung
Im Parlament regt sich allerdings Widerstand. SVP und FDP kritisieren die Praxisänderung und werfen dem Staatssekretariat für Migration (SEM) vor, diese «still und heimlich» vorgenommen zu haben.
Am Dienstag verhandelt der Nationalrat nun einen Vorstoss von Gregor Rutz (51). Der SVP-Nationalrat möchte, dass das SEM wieder zur alten Praxis zurückkehrt. Im Ständerat wird am Mittwoch eine gleichlautende FDP-Motion von Philipp Bauer (61) behandelt.
Rutz befürchtet, die Schweiz sende «falsche Signale»: «Unser Asylsystem ist schon jetzt am Anschlag.» Mit diesem Entscheid machten sich noch mehr Personen, die bereits länger in Drittstaaten leben, auf den Weg in die Schweiz.
Dem widerspricht das SEM: Seit der Praxisänderung sei die Zahl der Asylgesuche von neu in die Schweiz kommenden Afghaninnen bisher nicht nachhaltig gestiegen, teilte das Staatssekretariat Ende November mit.
Gesellt sich die Mitte zu den Bürgerlichen?
Die SVP-Motion könnte am Dienstag aber eine Mehrheit finden, wenn sie neben der FDP auch die Mitte mitträgt. Diese wollte sich am Montag nicht in die Karten schauen lassen. Es gebe «noch offene Fragen» wegen eines kürzlichen Entscheids des Bundesverwaltungsgerichts. Man wolle darum den Vorstoss der Kommission zur Vorprüfung zurückweisen, so Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (45).
Das Bundesverwaltungsgericht hat soeben eine Beschwerde von zwei Afghaninnen gegen ihre Ausweisung gutgeheissen. Demnach muss ihnen in der Schweiz Asyl gewährt werden. Das Gericht stützt damit die neue Asylpraxis des Staatssekretariats für Migration (SEM).
Ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und Mädchen in Afghanistan sei unter dem aktuellen Regime der Taliban nicht möglich, kommt das von der «NZZ am Sonntag» publik gemachte Urteil zum Schluss.
Was bedeutet dieses Urteil für den weiteren Umgang mit den geflüchteten Frauen aus Afghanistan? Muss die Schweiz nun diesen Frauen generell Asyl gewähren? Keineswegs, sagt SVP-Nationalrat und Jurist Gregor Rutz (51). Es handle sich dabei um kein Grundsatzurteil, denn nur drei Richter hätten den Entscheid gefällt. «Es wurde nur auf den Einzelfall Bezug genommen», so Rutz zu Blick. Sonst hätte das Gericht fünf Richter mit dem Fall betrauen müssen.
Das SEM betont, dass es ohnehin für jedes Gesuch eine Einzelfallprüfung durchführe. Und seit der Praxisänderung würden noch immer noch rund 20 Prozent der Asylgesuche abgelehnt. (sie)
Das Bundesverwaltungsgericht hat soeben eine Beschwerde von zwei Afghaninnen gegen ihre Ausweisung gutgeheissen. Demnach muss ihnen in der Schweiz Asyl gewährt werden. Das Gericht stützt damit die neue Asylpraxis des Staatssekretariats für Migration (SEM).
Ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und Mädchen in Afghanistan sei unter dem aktuellen Regime der Taliban nicht möglich, kommt das von der «NZZ am Sonntag» publik gemachte Urteil zum Schluss.
Was bedeutet dieses Urteil für den weiteren Umgang mit den geflüchteten Frauen aus Afghanistan? Muss die Schweiz nun diesen Frauen generell Asyl gewähren? Keineswegs, sagt SVP-Nationalrat und Jurist Gregor Rutz (51). Es handle sich dabei um kein Grundsatzurteil, denn nur drei Richter hätten den Entscheid gefällt. «Es wurde nur auf den Einzelfall Bezug genommen», so Rutz zu Blick. Sonst hätte das Gericht fünf Richter mit dem Fall betrauen müssen.
Das SEM betont, dass es ohnehin für jedes Gesuch eine Einzelfallprüfung durchführe. Und seit der Praxisänderung würden noch immer noch rund 20 Prozent der Asylgesuche abgelehnt. (sie)
Der Bundesrat lehnt den bürgerlichen Vorstoss ab. In seiner Antwort schreibt er, die Lage in Afghanistan sei «unverändert schlecht». Zudem hat auch die Europäische Asylagentur in ihren aktuellen Guidelines festgestellt, dass Frauen und Mädchen unter den Taliban in ihrer Bewegungs-, Meinungs- und Verhaltensfreiheit eingeschränkt sind.
Angst vor Taliban
Auch Freshta Rahimis Familie verfolgte am Fernsehen die Machtübernahme der Taliban mit. «Es war einfach nur fürchterlich. Wir sassen in der Stube und haben alle geweint», erzählt die junge Frau. In ihren Augen blitzen Tränen auf.
Sie berichtet von ihren Freundinnen in Afghanistan, zu denen sie noch immer Kontakt hält. «Sie dürfen nicht mehr zur Schule und kaum je das Haus verlassen.» Freshtas leise Stimme geht im lauten Café fast verloren. Sie ist erst 18 Jahre alt – doch ihre Worte und ihre überlegte Art, sich auszudrücken, lassen sie mindestens zehn Jahre älter erscheinen. Sie habe aufgrund der Flucht sehr früh Verantwortung übernehmen müssen, erklärt Freshta ihre Reife. Die Familie hatte die afghanische Hauptstadt Kabul unter anderem verlassen, weil Familienangehörige in Gefahr waren. Die Familie hat Blick gebeten, zu ihrer Sicherheit auf weitere Angaben zur Flucht zu verzichten. Die Angst vor den Taliban ist auch in der Schweiz präsent.
Irgendwann, hofft Freshta, in ihre Heimat zurückkehren zu können. «Natürlich würde ich gern wieder dort leben, wenn die Sicherheitslage das zulässt», sagt sie. Doch bis auf weiteres steht für sie fest, dass sie in der Schweiz bleiben möchte. Sie will Sprachen lernen, eine gute Ausbildung machen, Geld verdienen. Alles Dinge, die in Afghanistan für Mädchen und Frauen derzeit unmöglich sind.
*Name geändert