SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (59) hat alle überrumpelt. Sie wechselt vom Justizdepartement (EJPD) ins Innendepartement (EDI). Ihr Umfeld spricht von einem Triumph, Beobachter von einer Flucht, wovon sie nichts wissen will.
Obwohl die SVP unablässig von einem «Asylchaos» spricht, sagt das wenig über ihre Leistung aus. Klar ist: Simonetta Sommaruga (63, SP) traf 2010 im EJPD tatsächlich ein Chaos an, als sie auf Eveline Widmer-Schlumpf (67, BDP) folgte.
In ihren acht Jahren als Justizministerin musste auch Sommaruga Kritik der SVP erdulden. Ihr gelang es jedoch, eine grosse Asylreform mit beschleunigten Verfahren durchzubringen. Davon profitierte vor allem ihre Nachfolgerin Karin Keller-Sutter (59, FDP).
Eine magere Bilanz
Auch Baume-Schneider hatte sich zuerst mit dem ungeliebten EJPD abfinden müssen. Wie schon Keller-Sutter hatte die SP-Bundesrätin die Folgen von Russlands Angriff auf die Ukraine zu bewältigen. Bis heute liegt der Anteil der erwerbsfähigen Ukrainerinnen – es sind häufig Frauen mit ihren Kindern – bei gerade 20 Prozent.
Zu den 66'000 Ukrainern, die jetzt noch im Land sind, kamen dieses Jahr besonders viele Flüchtlinge über die Balkanroute in die Schweiz. Wobei viele hierzulande gar kein Asyl beantragen, sondern weiterreisen.
Für die Flüchtlingsströme kann Baume-Schneider nichts. Doch sie ist verantwortlich für den Umgang mit ihnen. Und da weist die Genossin eine magere Bilanz auf. So sind ihre Appelle an die italienischen Behörden ungehört geblieben, Flüchtlinge zurückzunehmen, die von dort zu uns kamen.
Missglückt ist auch ihr Vorhaben, das Kontingent für ausländische Arbeitskräfte zu senken. Der Gesamtbundesrat pfiff sie zurück. Und da ist noch ihre grösste Niederlage: die Wohncontainer.
Die SP-Ministerin wollte präventiv Container für Flüchtlinge aufstellen, damit diesen Herbst sicher genügend Betten da sind. Doch im Parlament scheiterte die Idee. Sie hatte das Parlament, aber auch die Kantone und Gemeinden zu wenig in ihre Pläne einbezogen.
Die Genossin meint, sie besitze Fachwissen
Das sind schlechte Vorboten für ihre neuen Aufgaben im EDI. Dort wird sie für die Gesundheitskosten zuständig sein, die stetig steigen. Dass Baume-Schneider sich hier als durchsetzungsfähige Magistratin beweist, wird bezweifelt.
Das EDI bräuchte dringend neue Impulse, aber auch diesbezüglich konnte Baume-Schneider bisher wenig überzeugen. Selbst ihr Pilotprojekt, den Asylprozess für Nordafrikaner innert 24 Stunden abzuschliessen, ist letztlich keine Neuerfindung. Schon früher gab es Schnellverfahren bei wenig aussichtsreichen Asylgesuchen.
Die Jurassierin, gelernte Sozialarbeiterin und ehemalige Rektorin der Hochschule für Soziale Arbeit und Gesundheit in Lausanne, ist selbst der Ansicht, dass sie das notwendige Fachwissen mitbringe, um bei den Sozialversicherungen zu punkten.
Doch nicht weniger als fünf Volksabstimmungen hat sie im 2024 zu bewältigen. Anfang März geht es los mit der Renteninitiave der Jungfreisinnigen, die das Pensionsalter an die Lebenserwartung knüpfen will. Zudem muss sie gegen ihre Parteifreunde antreten, die eine 13. AHV-Rente fordern.
Wie lang macht sie noch?
Die beiden Abstimmungen werden für die SP-Bundesrätin zu einer ersten Bewährungsprobe. Entscheidet das Volk nicht in ihrem Sinne, steigt auch im EDI der Druck. Hält das die Jurassierin eine Legislatur lang aus? Eine erneute Möglichkeit für eine Departementsflucht wird es so schnell nicht geben.
Sowieso will die Genossin, die Heiligabend ihren 60. Geburtstag feiert, höchstens bis 65 im Amt bleiben. Die Erfolge ihres Vorgängers Alain Berset (51, SP) sind selbst nach zwölf Jahren im Amt überschaubar.