Knapp fünf Jahre, nachdem die Schweiz dem Bau neuer Atomkraftwerke einen Riegel schob, wollen die Freisinnigen den Volksentscheid kippen. Die Parteipräsidenten-Konferenz, zu der neben Neo-Parteichef Thierry Burkart (46) auch der restliche nationale Parteivorstand und die Präsidenten der Kantonalparteien gehören, hat den brisanten Antrag zuhanden der Delegierten verabschiedet. Es seien «Voraussetzungen zu schaffen, um namentlich Kernkraftwerke der neuen Generation zuzulassen», heisst es in der Resolution, über die der «Tages-Anzeiger» berichtet.
Erst vor wenigen Tagen hatte die FDP Aargau die Aufhebung des AKW-Neubauverbots gefordert. Laut Informationen des «Tages-Anzeigers» wurde der Antrag an der Parteipräsidenten-Konferenz aber nicht von den Aargauern, sondern von der Zürcher Sektion eingebracht.
Vor Kurzem tönte es noch anders
Die FDP hatte 2019 unter Burkarts Vorgängerin Petra Gössi (46) einen klimafreundlichen Kurs eingeschlagen. In einer grossangelegten Befragung hatten sich aber schon damals 56 Prozent der Basis für den Neubau von AKWs ausgesprochen. Gössi jedoch war – mit Verweis auf das klare Ergebnis der Volksabstimmung – stets dagegen. «Die FDP respektiert den klaren Volksentscheid von 2017», sagte sie vergangenen Sommer, als sie noch Präsidentin war.
Ihr Nachfolger scheint das offenbar nicht zu tun. Burkart selbst will sich im Vorfeld der Delegiertenversammlung vom 12. Februar nicht zur Resolution äussern.
SVP auf gleichem Kurs
Schon länger für den Neubau von AKWs macht sich die SVP stark. Längerfristig müsse man neben neuen Technologien wie Geothermie und Wasserstoff auch die Kernkraft wieder in Betracht ziehen, sagte Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (52) vergangenes Jahr im Blick-Interview. Sonst habe die Schweiz schon bald nicht mehr genügend Strom.
Auch aus Sicht des Freisinns ist die allenfalls drohende Stromknappheit ein grosses Problem, das angegangen werden muss. Doch der Parteispitze ist bewusst, dass die Aufhebung des AKW-Neubauverbots dagegen kurz- und mittelfristig nicht hilft. Bis tatsächlich ein neues Kernkraftwerk in Betrieb wäre, dauerte es viel zu lange.
Als zusätzliche Absicherung gegen eine Stromkrise schlägt die FDP-Führung laut «Tages-Anzeiger» daher unter anderem auch den Bau von Spitzenlast-Gaskraftwerken oder sogenannten Wärme-Kraft-Kopplungs-Anlagen vor, die «wenn immer möglich» CO₂-neutral betrieben werden sollen. (lha)