Der grosse Parteiüberblick nach den Zürcher Wahlen
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Politologe ordnet ein:Der grosse Parteiüberblick nach den Zürcher Wahlen

Blick analysiert die kantonalen Resultate
So fit sind die Parteien für den Wahl-Herbst

Die kantonalen Wahlen in Zürich und Baselland sind dieses Jahr ein erster Gradmesser für die nationalen Wahlen im Herbst. Blick erklärt, was die Parteien am 22. Oktober erwartet – und warum.
Publiziert: 14.02.2023 um 00:58 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2023 um 12:00 Uhr
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Die Wahlen im Kanton Zürich geben einen Hinweis, wohin die Reise bei den nationalen Wahlen gehen könnte.
Foto: keystone-sda.ch

Die Kantone Zürich und Baselland haben ihre Kantonsparlamente neu besetzt. Die Resultate sind ein wichtiger Gradmesser für die eidgenössischen Wahlen im Herbst. Es sind die ersten kantonalen Wahlen im laufenden Jahr, welche einen Hinweis darauf geben, wie es um die Parteien steht.

Blick erklärt, was diese am 22. Oktober zu erwarten haben – und warum.

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SVP spielt Migrationskarte

Es war ein Debakel. Bei den Öko-Wahlen 2019 musste die SVP kräftig Federn lassen. Ihr Wähleranteil sank gleich um 3,8 Prozentpunkte auf 25,6 Prozent. Auch in den Kantonen sah es danach nicht viel besser aus. Zuletzt konnte sie sich aber immer mehr stabilisieren. Am Sonntag hat sie auch in Baselland wieder leicht zugelegt und im Zürcher Kantonsrat einen weiteren Sitz hinzugewonnen.

Die grösste Partei im Land hat ihren Schlingerkurs beendet und ist wieder stabil unterwegs. Aktuelle Themen wie der Ukraine-Krieg und die Neutralität oder die anhaltende Energiekrise dürften ihr in die Karten spielen. Und sie wird vor allem auch die Themen Asyl und Migration im Wahlkampf prominent bespielen.

Die SVP-Spitze darf optimistisch in den Herbst schauen. Bei den nationalen Wahlen wird die Partei die Verluste von 2019 kaum wettmachen können, aber zumindest teilweise korrigieren.

SP mit Befreiungsschlag

Die Genossen haben am Sonntag zum Befreiungsschlag ausgeholt. Nachdem die SP seit 2019 in den Kantonen Niederlage an Niederlage reihte, legte die Partei bei den Zürcher Wahlen zwar nur um 0,01 Prozentpunkte zu, die SP durfte sich aber über einen Sitzgewinn freuen.

Von einer Trendumkehr zu sprechen, wäre verfehlt. Denn gleichzeitig hat die Partei bei den Baselbieter Wahlen beim Wähleranteil knapp 0,9 Prozentpunkte und damit auch zwei Parlamentssitze verloren.

Steigende Preise, Prämien, Energiekosten und knapper Wohnraum – in Krisenzeiten sollte die SP mit ihrem Kampf für die Schwächsten eigentlich nah beim Wähler sein. An der Urne konnte sie damit bisher aber noch wenig punkten. Immerhin hat sie ihren Krebsgang am Wochenende gestoppt.

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So bleibt die Ausgangslage für die Wahlen im Herbst schwierig. Die SP wäre wohl froh, wenn sie den heutigen Wahlanteil halten könnte. 2019 verlor sie 2 Prozentpunkt und kam auf 16,8 Prozent Wähleranteil. Die Zürcher Wahlen können die Partei hoffen lassen, dass sich das nicht wiederholt.

Co-Präsidentin Mattea Meyer (35) macht sich Sorgen, weil sie kaum auf Zuwächse hoffen darf. Doch die Schweiz brauche eine sozialere und ökologischere Schweiz. «Ich blicke daher nicht sehr freudig auf den Herbst», sagt sie.

FDP stabilisiert sich mit rechts

Mit ihrem Präsidenten Thierry Burkart (47) an der Spitze fährt die FDP wieder stärker in der rechten Spur. So setzt sie beispielsweise verstärkt aufs Thema Sicherheit.

Damit hat der Aargauer zumindest eine Stabilisierung der Wählerbasis erreicht – mit zuletzt leichter Aufwärtstendenz. Wobei diese in Baselland mit plus 1 Prozent deutlicher ausfiel als in Zürich mit gerade nur 0,2 Prozent Zuwachs.

Unter dem Strich bleibt die FDP zu schwach, um – wie erklärt – die SP als zweitstärkste Kraft ablösen zu können. 2019 kam die Freisinnigen auf 15,1 Prozent. Die SP müsste also deutlich Federn lassen, damit Burkarts Freisinn sie überflügeln könnte.

Das Problem der FDP: Ihr fehlt ein packender Wahlkampfschlager. Die Wirtschaft läuft zwar gut, doch Otto Normalbürger drückt die hohe Teuerung aufs Portemonnaie. Der Ruf nach mehr Eigenverantwortung dürfte da auf weniger Widerhall stossen als vom Freisinn erhofft.

Mitte fusioniert sich zum Erfolg

Im Baselbiet durfte sich die Mitte am Sonntag über einen zusätzlichen Sitz freuen, in Zürich sogar gleich über deren drei. Kein Wunder, erkoren sich die Mitte-Vertreter gleich selber zum grossen Wahlsieger. Tatsächlich scheint die ehemalige CVP ihren jahrelangen Niedergang gestoppt zu haben. Viel mehr aber nicht.

Der Grund: Seit den Wahlen 2019 haben sich die CVP und die BDP zur neuen Mitte-Partei zusammengeschlossen. Einen Wähleranteil von 13,9 Prozent errangen sie damals. Vier Jahre zuvor hätten sie gemeinsam noch einen Anteil von 15,7 Prozent erreicht.

Der Niedergang setzte sich in den Kantonen fort. Dort ist die Mitte seit 2019 um rund 40 Mandate geschrumpft. Nach dem Erfolg vom Sonntag hat die Mitte daher keinen Grund, nun übermütig zu werden. Sie ist weiter froh, wenn sie ihren Wähleranteil von rund 14 Prozente halten könnte. Das ist nicht ausgeschlossen.

Grünen fehlt Klima-Sorge

Die Grünen waren 2019 die grosse Wahlsiegerin. Die Klima-Problematik spülte sie auf 13,2 Prozent – nahezu eine Verdoppelung des Wählerinnenanteils. Die Flughöhe ist hoch. Die Absturzgefahr ebenso – eine Korrektur wie am Wochenende in Zürich scheint unausweichlich.

Dies umso mehr, als die Klima-Sorge weniger präsent scheint als 2019: Das Parlament hat ein neues Klimazielgesetz verabschiedet und – angetrieben vom Ukraine-Krieg – den Solarturbo gezündet. Der grüne Leidensdruck sinkt damit. Und während die Klima-Jugend vor vier Jahren noch bewegte, nerven die Klima-Kleber von heute.

Für einen Wahlsieg im Herbst brauchen die Grünen einen Hitzesommer. Sonst dürften sie ein bis zwei Prozentpunkte verlieren. Ein grüner Bundesratssitz rückt in weite Ferne.

GLP mit Luft nach oben

Im Gegensatz zu den Grünen haben die Grünliberalen noch Luft nach oben. In Zürich haben sie zwar stagniert, in Baselland aber nochmals deutlich zugelegt. Doch weil die GLP anders als noch 2019 jetzt in allen Kantonen antritt, wird sie ihren Wähleranteil von 2019 von 7,8 Prozent weiter steigern können.

Die GLP-Vertretung im Parlament ist zudem breiter geworden. Damit hat sie mehr Köpfe, die sich auch ausserhalb der Klimaschutz-Frage profilieren können. So hat die Partei insbesondere ihr gesellschaftspolitisches Profil geschärft – etwa bei der «Ehe für alle» oder einer liberaleren Einbürgerungspolitik. Auch in der Renten-Debatte hat sie sich offensiv eingebracht. Unter dem Strich hat die GLP sich als Alternative für liberale Sozis und Grüne sowie Öko-Freisinnige etabliert.

Doch selbst wenn die Grünliberalen im Herbst zulegen, dürften sie unter ihrem 10-Prozent-Wahlziel bleiben und damit keinen Anspruch auf einen Bundesratssitz erheben.

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