Politik-Experte Longchamp zum Stimmungstest für die nationalen Wahlen
Wer profitiert, wer verliert

Die Zürcher Wahlen sind für den Kanton bedeutend, sie sind aber auch ein Stimmungstest für die nationalen Wahlen im Oktober. Politologe Claude Longchamp sagt, man setze in Zeiten von Krieg und Energiemangellage in der Schweiz eher auf gemässigte Personen und Parteien.
Publiziert: 13.02.2023 um 00:28 Uhr
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Aktualisiert: 14.02.2023 um 12:02 Uhr
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Der alte Zürcher Regierungsrat ist auch der neue.
Foto: keystone-sda.ch
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Die Wahlen im Kanton Zürich gelten als ein wichtiger Stimmungstest vor den nationalen Wahlen im Herbst. Augenscheinlich ist, dass die Grüne Partei in Zürich an ihre Grenze stösst. Es ist vorbei mit den grossen Siegen der Öko-Partei.

«Der Jojo-Effekt hat sich in Zürich gezeigt», sagt Blick-Politikexperte Claude Longchamp (65). «Jene Parteien, die vor vier Jahren in Zürich gewannen, haben nun verloren.» Das habe besonders die Grüne Partei zu spüren bekommen. Konnte sie 2019 gleich neun neue Sitze im Kantonsrat ausbauen, verliert sie nun wieder deren drei. «Genauso hat die SVP jetzt etwas gewonnen, nachdem sie 2019 Verluste einfahren musste.»

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Eine Ausnahme bietet die GLP. Ihr ist es gelungen, den enormen Zugewinn bei den Wahlen 2019 zu halten. Dem Jojo-Effekt entzieht sich zudem die stabile EVP.

Extreme Stabilität auch in Baselland

Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise. All diese Themen polarisierten in den letzten Monaten, waren Thema auf Podien und Wahlplakaten. Und trotzdem ist es – auch im Vergleich zu anderen Ländern – gestern nicht zu einer grossen Veränderung in der Parteienlandschaft gekommen. Für Claude Longchamp ist klar, dass die Polparteien aus den Krisen nicht den grossen Profit ziehen konnten. «Man setzt in solchen Zeiten in der Schweiz eher auf gemässigte Personen und Parteien», sagt er.

Insbesondere der Wahltag in Zürich hat dies bestätigt. So bleiben die Köpfe in der Regierung in Zürich in den nächsten vier Jahren genau die gleichen wie in der letzten Legislatur. Auch der Blick in den Kanton Baselland zeigt, dass dort eine extreme Stabilität herrscht. Bei den Regierungsratswahlen wurden alle vier Bisherigen wiedergewählt, sogar in der gleichen Reihenfolge wie 2019. Bei den Parlamentswahlen verloren die Grünen auch hier Prozentpunkte – dafür legte die GLP zu.

Mitte und GLP sind das Zünglein an der Waage

Damit habe sich nach der grünen Welle 2019 das System wieder «eingependelt», so der Politologe. «Auch die von den Medien vorhergesagte liberale Welle ist heuer nicht sichtbar geworden.» Die FDP konnte in Zürich ihren Wähleranteil halten, in Baselland legte der Freisinn um knapp ein Prozent zu.

Die Mehrheitsverhältnisse im neu zusammengesetzten Zürcher Kantonsrat sind äusserst knapp. Umso wichtiger ist künftig die Rolle der Parteien in der Mitte des politischen Spektrums. Je nachdem, auf welche Seite sich GLP und Mitte schlagen, wird die eine oder andere Seite obsiegen.

«Der Erfolg war das Problem»

Was bedeutet also diese Ausgangslage für den nationalen Wahlherbst? «Die günstige Grosswetterlage dürfte für die Grünen vorbei sein», schätzt Longchamp. Dafür spreche auch, dass die Grünliberalen in den letzten Jahren an Bedeutung gewannen: «Die Grünen werden nicht mehr als einzige Öko-Partei wahrgenommen und haben mit der GLP eine reale Konkurrenz erhalten.»

Balthasar Glättli (51), Präsident der Grünen, befürchtet gar, dass in Zürich «der Erfolg etwas das Problem war», wie er Blick sagt. So hätte man wohl das Gefühl gehabt, es gehe nun «einfach vorwärts» in der Bekämpfung der Klimaerwärmung. Die Klima-Allianz aus SP, Grünen, GLP, EVP und AL hätten gemeinsam wichtige Anliegen durchgebracht. Doch das gehe jetzt nicht mehr so einfach.

Der Präsident der Grünen sieht das Resultat von gestern in Zürich daher als «Warnschuss» für die nationalen Wahlen. Man müsse dort «die Dringlichkeit nach vorne stellen», sagt Glättli.

Krieg kann Wahlkampf noch beeinflussen

Für den Politologen Longchamp könne auch der Fortgang des Ukraine-Kriegs noch entscheidende Auswirkungen auf das Wahlverhalten im Herbst haben. Je nachdem, wie sich dadurch die Flüchtlingssituation weiterentwickle oder sich der Krieg auf die Kaufkraft auswirke, sei nicht einfach vorherzusehen, welches das tonangebende Thema im Wahlkampf sein werde.


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