Es war eine Zitterpartie für die Bürgerlichen wie die Linken, aber jetzt steht fest: Auch Frauen werden zukünftig bis 65 arbeiten müssen. Die Stimmbevölkerung hat die AHV-Reform mit hauchdünnen 50,57 Prozent angenommen.
Bei der Erhöhung der Mehrwertsteuer, dem zweiten Teil des AHV-Reformpäckchens, fiel das Resultat etwas deutlicher aus: Das Ja-Lager kam auf 55 Prozent Ja-Stimmen. Die Linke ist enttäuscht. Die Frauen hätten sich klar gegen die Vorlage ausgesprochen, sagte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer in der Blick-TV-Elefantenrunde. Und sie forderte: «Wenn jetzt die Frauen ein Jahr länger arbeiten müssen, müssen wir auch in anderen Bereichen vorwärtsmachen.» Verbesserungen fordern die Linken etwa bei den Löhnen, der externen Kinderbetreuung und dem Elternurlaub.
Reform der zweiten Säule dringend
Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59) und FDP-Chef Thierry Burkart (47) folgern aus dem knappen Abstimmungsergebnis, dass es bei der zweiten Säule Anpassungen brauche. «Da braucht es tatsächlich Korrekturen bei den Frauen, das haben wir immer gesagt und da halten wir Wort», so Burkart. Auch SVP-Präsident Marco Chiesa (47) sagt: «Jetzt braucht es eine ausgewogene Lösung.»
Blick-TV-Experte Claude Longchamp (65) stellte fest: «Eine Männermehrheit hat über die Frauen bestimmt.» Der Politologe glaubt, dass es zu Protesten kommen könnte. Tatsächlich haben die SP-Frauen bereits zur Demo am Montag aufgerufen. Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 sei nicht nur ein grosser Rückschritt in Sachen Gleichstellung, sondern «ein Schlag ins Gesicht aller Frauen».
SP-Bundesrat Alain Berset (50) zeigte sich zwar zufrieden darüber, dass das «wichtigste Sozialwerk» reformiert werde. Der Innenminister fügte aber an, dass das nicht bedeute, «dass alle Probleme in der Altersvorsorge gelöst sind». Das knappe Abstimmungsresultat sei ein deutliches Signal ans Parlament und den Bundesrat. Für eine Altersvorsorge, in der die Frauen nicht diskriminiert werden, brauche es dringend eine Reform der zweiten Säule.
Noch eine bürgerliche Steuer-Schlappe
Eine erneute Schlappe muss derweil Finanzminister Ueli Maurer (71) verkraften. Anleger müssen auf Zinserträge von inländischen Obligationen auch künftig 35 Prozent Verrechnungssteuer zahlen. Mit 51,7 Prozent hat die Stimmbevölkerung die Teilabschaffung der Steuer knapp verworfen.
Schon vergangenen Februar ist Maurer mit der Abschaffung der Stempelsteuer beim Stimmvolk aufgelaufen. Das erneute Nein zeigt, dass es der Wirtschaft schwerfällt, die Mehrheit der Bevölkerung von Steuersenkungen für Unternehmen zu überzeugen.
Maurer deutete das Ergebnis anders. Man könne festhalten, «dass ganz offensichtlich das Verständnis der Stimmbevölkerung für wirtschaftliche Zusammenhänge in der Bevölkerung schwindet», griff Maurer die Stimmenden an.
Bauernverband marschiert durch
Bei der Massentierhaltungs-Initiative fiel das Votum der Stimmbevölkerung indes sehr deutlich aus. Erneut ist es dem Bauernverband gelungen, eine Agrar-Initiative zu bodigen: Ausser in Basel-Stadt wurde sie überall haushoch abgelehnt. Schweizweit kam die Initiative auf 63 Prozent Nein-Stimmen.
Die Organisation Bio Suisse sieht nach dem Nein zur Massentierhaltungs-Initiative die Konsumentinnen und Konsumenten in der Pflicht. Ihnen bleibe nun die Wahl beim Einkaufen.