Am 13. Februar erteilte die Schweiz den Steuersenkungs-Plänen der Bürgerlichen eine Klatsche: Die von ihnen gewünschte Abschaffung der Stempelsteuer wurde mit knapp 63 Prozent abgelehnt. Nun, sieben Monate später, steht schon die nächste Steuerabstimmung an. Diesmal geht es um die Verrechnungssteuer und die Umsatzabgabe auf inländische Obligationen. Blick erklärt die Vorlage – ohne viel Finanzchinesisch.
Was ist die Verrechungssteuer?
Gewinne aus beweglichen Kapitalvermögen wie etwa Zinsen und Dividenden, schweizerische Lottogewinne und bestimmte Versicherungsleistungen muss man versteuern – mit 35, 15 oder 8 Prozent. Das passiert automatisch. Fallen auf dem Sparkonto beispielsweise 1000 Franken Zins an, schreibt die Bank einem nur 650 Franken gut. 350 Franken fliessen direkt an den Bund. Anders ist das bei Zinsen und Kapitalgewinnen unter 200 Franken: Bis zu dieser Freigrenze fällt keine Verrechnungssteuer an.
Warum gibt es diese Steuer?
Die meisten kennen die Verrechnungssteuer aus der jährlichen Steuererklärung. Sie ist der Grund dafür, dass man die Jahresabschlüsse seiner Bankkonten angibt: Dann nämlich erhält man die Verrechnungssteuer zurückerstattet. Das ist auch der Sinn der Verrechnungssteuer: Sie soll dafür sorgen, dass alle ihre Kapitalerträge angeben und darauf korrekt Steuern zahlen.
Was bringt die Steuer dem Staat ein?
Der grösste Teil der Steuer wird zurückerstattet: Von 1995 bis 2016 betrug die Rückerstattungsquote etwa 84 Prozent. Allerdings erhalten nur Personen, die in der Schweiz wohnen, die Verrechnungssteuer zurückerstattet. Personen aus dem Ausland gehen zumeist leer aus. Zudem fordern Unternehmen die Steuer nicht immer zurück – die Bürokratie ist so gross, dass es sich schlichtweg nicht lohnt. Daher spült die Verrechnungssteuer jedes Jahr Milliarden in die Bundeskasse. 2021 blieben von den 33,6 Milliarden Franken, die eingezogen wurden, nach der Rückerstattung 4,9 Milliarden Franken übrig. Wie hoch die Rückerstattungsquote spezifisch bei inländischen Obligationen ist, kann das Finanzdepartement nicht sagen.
Was ist die Umsatzabgabe?
Bei den meisten Käufen und Verkäufen von Wertpapieren wird eine Abgabe von 1,5 beziehungsweise 3 Promille des Kaufpreises fällig – abhängig davon, ob es sich um inländische oder ausländische Wertpapiere handelt. Die Umsatzabgabe auf inländische Obligationen soll nun – ebenso wie die Verrechnungssteuer auf diese – abgeschafft werden.
Was bringt die Umsatzabgabe dem Staat ein?
Die Einnahmen aus der Umsatzabgabe betrugen gemäss Finanzdepartement in den Jahren 2020 und 2021 etwas mehr als 1,5 Milliarden Franken; die Einnahmen aus inländischen Wertpapieren etwas mehr als 200 Millionen Franken.
Und diese beiden Steuern sollen jetzt abgeschafft werden?
Zur Klarstellung: Die Verrechnungssteuer und Umsatzabgabe sollen nicht komplett abgeschafft werden, sondern nur jene auf inländische Obligationen. Auf alle anderen Kapitalerträge soll sie weiterhin anfallen – und auch wie bisher zurückerstattet werden. Das heisst: Bei Bankzinsen und Dividenden fliessen weiterhin 35 Prozent an den Bund und werden zurückerstattet.
Was sind inländische Obligationen überhaupt?
Obligationen sind Anleihen. Damit können sich Unternehmen und Staaten Fremdkapital beschaffen. Ein Beispiel dafür sind Bundesanleihen – auch Eidgenossen genannt. Die Schweiz gibt diese heraus, Anleger können sie kaufen. Sie leihen der Schweiz also Geld und erhalten dafür über eine fixe Laufzeit von beispielsweise 10 Jahren einen festen Zinssatz. Inländische Obligationen sind solche Anleihen, die von einem Schweizer Unternehmen oder dem Schweizer Staat in der Schweiz herausgegeben werden. Auf diese müssen Anlegerinnen und Anleger – zu denen ganz normale Leute, aber auch Banken, Versicherungen und Pensionskassen gehören – 35 Prozent Verrechnungssteuer zahlen.
Warum will man das ändern?
Weil Umsatzabgabe und Verrechnungssteuer auf inländische Obligationen den Schweizer Finanzplatz lähmen: Aufgrund der Steuern ist es in der Schweiz unattraktiv, in Obligationen zu investieren – selbst wenn man die Steuer zurückfordern kann. Denn erstens bedeutet das bürokratischen Aufwand für die Anleger. Und zweitens wird ihnen so Liquidität entzogen – denn bis die Verrechnungssteuer (meist im Folgejahr) zurückgezahlt ist, fehlt das Geld. In vielen anderen Staaten gibt es die Steuer so nicht. Und das hat drastische Auswirkungen: In Luxemburg etwa wird, gemessen am Bruttoinlandprodukt, ein 190-mal so grosses Volumen an Anleihen ausgegeben wie in der Schweiz. Und das heisst auch: Die Arbeitsplätze sind in Luxemburg, nicht in der Schweiz. Das jedenfalls behaupten die Befürworter. Die Bankiervereinigung geht davon aus, dass innert fünf Jahren nach Abschaffung eine Volumensteigerung von 590 Milliarden bei Obligationen, 230 Milliarden bei strukturierten Produkten und rund 80 Milliarden bei Treuhandanlagen möglich ist. Wie viele Arbeitsplätze dadurch geschaffen würden, sagt der Verband allerdings nicht.
Wer ist für die Abschaffung?
Der Bundesrat spricht sich für die Streichung aus. Im Parlament reicht die Unterstützung von SVP über FDP und Mitte bis hin zur GLP. Auch die grossen Wirtschaftsverbände sind für die Abschaffung. Und sie lassen sich das so richtig was kosten – denn nochmal verlieren, das wollen sie nicht.
Und warum stimmen wir darüber ab?
SP, Grüne und Gewerkschaften haben das Referendum gegen die Abschaffung ergriffen.
Warum?
Aus zwei Gründen: Erstens sagen sie, dass dem Staat so Einnahmen entgingen. Und das stimmt auch. Die Streitfrage ist allerdings, wie viel das sein wird. Bleiben die Zinsen so niedrig wie heute, schätzt das Finanzdepartement die Einnahmeausfälle langfristig auf zwischen 215 und 275 Millionen Franken jährlich. Die Gegner führen ins Feld, dass stark steigende Zinsen die Ausfälle bis auf 800 Millionen Franken ansteigen lassen könnten. Bei der Umsatzabgabe schätzt der Bund die Mindereinnahmen auf etwa 25 Millionen Franken pro Jahr. Profitieren würden einmal mehr nur Grosskonzerne – denn KMU nehmen, wenn sie Geld brauchen, meistens einen Kredit auf. Zweites befürchten die Gegner, dass mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer der Steuerhinterziehung Tür und Tor geöffnet wird. In der Tat fällt der Anreiz, Kapitalgewinne anzugeben, mit der Abschaffung weg. Das gibt sogar der Bund zu. Gemäss dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sind aber, weil es nur um inländische Obligationen geht, nur wenige Anleger betroffen.