Es ist der zweite Anlauf von SVP-Bundesrat Ueli Maurer (71) in diesem Jahr. Im Februar erlitt er als Finanzminister mit seinen Plänen zur Abschaffung der Stempelsteuer Schiffbruch. Nun will er die Verrechnungssteuer reformieren. Erneut haben linke Parteien und Gewerkschaften das Referendum ergriffen, die Entscheidung fällt im September.
Im Zentrum der Debatte steht neben den Kosten der Reform auch die Frage, wer von einem Ja am meisten profitieren wird. Die SP warnt, bald könnten Hunderte Millionen Schweizer Steuerfranken ins Ausland fliessen. Schätzungen des Bundes stützen diese Warnung. Sie liegen SonntagsBlick vor.
Ausfälle von 600 bis 800 Millionen wären möglich
Darum geht es bei Maurers Plänen: Das Finanzdepartement will die Umsatzabgabe auf inländische Obligationen und die Verrechnungssteuer auf Obligationszinsen abschaffen. Die meisten Anleger sind schon heute berechtigt, diese Verrechnungssteuer ganz oder zumindest teilweise zurückzufordern. Das aber bedeutet für sie mehr Aufwand beim Ausfüllen der Steuererklärung.
So führt die Verrechnungssteuer dazu, dass Schweizer Unternehmen ihre Anleihen gar nicht erst in der Schweiz emittieren, sondern im Ausland. Jobs, etwa im Finanzsektor, sind daher nicht in der Schweiz angesiedelt. Bürgerliche Kreise sprechen von einem unnötigen Nachteil für die heimische Wirtschaft. Sie sind bereit, mit der Abschaffung der Verrechnungssteuer Ausfälle in der Staatskasse in Kauf zu nehmen. Auf knapp 200 Millionen Franken schätzt die Steuerverwaltung die Kosten. Steigen aber die Zinsen auf drei bis vier Prozent, können diese Ausfälle rasch auf 600 bis 800 Millionen Franken anwachsen, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete. Die SP sieht eine Trendwende. «Wir erleben ja gerade in diesen Tagen, dass die Zinsen wieder zu steigen beginnen», sagt Wirtschaftspolitikerin Prisca Birrer-Heimo (63, LU).
Profitieren würden Anleger aus dem Ausland
Es ist aber nicht so, dass Schweizer Betriebe oder gar die Haushalte nun weniger Steuern zahlen müssten. Kippt der Bund die Verrechnungssteuer, profitieren davon gut situierte Anleger aus dem Ausland.
Die Verwaltung schätzt: Nimmt man ein höheres Zinsniveau als Grundlage, könnten jährlich rund 480 Millionen Franken ins Ausland wandern. Davon entfallen 270 Millionen auf vermögende Anleger aus Staaten, welche die Verrechnungssteuer heute nur in Teilen zurückfordern können. Diese Anleger stammen aus Staaten wie Saudi-Arabien, Kuwait oder aber Luxemburg. Darüber, wie sich der Betrag über die verschiedenen Länder genau verteilt, macht die Eidgenössische Steuerverwaltung keine Angaben.
Wenn derzeit die Kaufkraft der Privathaushalte leide, sei es stossend, wenn der Bund auf diese Steuereinnahme verzichten wolle, sagt die Luzerner Nationalrätin Birrer-Heimo. Betrachte man die Bandbreite der Schätzungen, befänden «wir uns in einem Blindflug». Es sei nicht das erste Mal, dass die Verwaltung die Kosten einer Steuervorlage sehr tief ansetze. Wobei der Bund beim letzten Mal an der Urne den Kürzeren zog.