Gleich zwei Initiativen wollen für weniger Pestizide auf Schweizer Feldern sorgen: Im Juni stimmt die Bevölkerung voraussichtlich über die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative ab. Der Bauernverband lehnt beide Vorlagen ab und setzt sich mit aller Kraft für ein Nein ein. Dabei weiss der Verband nicht nur die bürgerlichen Parteien von Die Mitte bis SVP auf seiner Seite, sondern auch finanzkräftige Agrochemiefirmen wie Syngenta und Bayer.
Doch ein Teil der Landwirte hegt durchaus Sympathien für die Pestizid-Initiative: Sowohl Bio Suisse, der Verband der Biobauern, als auch die Kleinbauern-Vereinigung haben die Ja-Parole herausgegeben. Sie möchten, dass in der Schweiz künftig nur noch pestizidfreie Lebensmittel verkauft werden dürfen. Bioland Schweiz gewissermassen.
«Rüebli wachsen ohne Pestizide»
Obwohl die Abstimmung erst im Sommer stattfindet, lancieren die Kleinbäuerinnen ihre Ja-Kampagne bereits am Montag. «Wir wollen aufzeigen, dass ein beachtlicher Teil der Schweizer Bauern seine Früchte und Gemüse ohne Pestizide produzieren möchte», sagt Regina Fuhrer, Biobäuerin und Präsidentin der Vereinigung der Kleinbauern. «Denn anders als es die Gegner behaupten, brauchen wir keine Pestizide, damit auf unseren Feldern Rüebli und Kartoffeln wachsen.»
Zwar sei es richtig, dass die Erträge bei Biolebensmitteln kurzfristig etwas tiefer ausfielen als bei gespritzten, räumt Fuhrer ein. Aber: «Gesunde Böden haben wir langfristig nur dann, wenn wir auf Pestizide verzichten.» Dasselbe gelte für die Versorgungssicherheit mit inländischen Lebensmitteln. «Wir müssen wegkommen davon, unsere Lebensmittel immer schneller und billiger auf den Markt werfen zu wollen», sagt die Biobäuerin. «Wir brauchen einen Systemwechsel.»
Bescheidene Mittel
Vorerst startet die Kleinbauern-Vereinigung ihre Kampagne in den sozialen Medien, mit Plakaten, Newslettern und dem Aufschalten einer Website, später sollen auch Inserate hinzukommen. Allerdings sind die Mittel der Organisation, die rund 5000 Mitglieder zählt, bescheiden: Fuhrer spricht von einem tiefen sechsstelligen Betrag, der zur Verfügung stehe, also etwas zwischen 100'000 und 300'000 Franken.
Ganz anders sieht es bei den Gegnern der Initiative aus: Deren Kriegskasse ist deutlich praller gefüllt. So wird der Bauernverband gemäss Insidern mindestens eine Million Franken – möglicherweise auch zwei oder drei – für die Nein-Kampagne einsetzen. Kommt hinzu, dass man das Thema schon lange bewirtschaftet.
Bereits im vergangenen Jahr schaltete der Verband eine Inseratekampagne mit der Botschaft, dass die Schweizer Bauern den Einsatz von Pestiziden über die Jahre hinweg deutlich reduziert hätten. Seit Anfang Jahr können interessierte Bauern zudem rote Flaggen bestellen, die für «Zwei Mal Nein» zu den Initiativen werben; bereits wurden 10'000 Stück verschickt. Der offizielle Startschuss für die Kampagne des Bauernverbands fällt dann am 9. März – zwei Tage nach dem Abstimmungssonntag.
Mehrheit der Bauern sagt Nein
Urs Schneider, stellvertretender Direktor des Bauernverbands, zeigt sich über die Ja-Kampagne der Kleinbäuerinnen denn auch nicht sonderlich beunruhigt. «Über 90 Prozent der Bauern lehnen die Initiative ab», sagt Schneider und verweist auf die Abstimmung in der Landwirtschaftskammer, dem Bauern-Parlament. Dort ist die Initiative mit einer einzigen Gegenstimme verworfen worden.
Laut Schneider hätte ein Ja zur Pestizid-Initiative zur Folge, dass in der Schweiz bis zu 40 Prozent weniger Lebensmittel produziert würden (andere Studien kommen auf eine Reduktion von 20 Prozent). «Die Konsequenz ist, dass wir deutlich mehr Früchte und Gemüse importieren müssten.» Auch sei unklar, ob das Importverbot für pestizidbehandelte Lebensmittel mit internationalem Recht vereinbar sei. Und schliesslich würde eine staatlich verordnete Bioproduktion den Einkaufstourismus befeuern, ist Schneider überzeugt. «Deshalb lehnen wir die Initiative ab.»