Unsere Kühe geben Milch – und machen Mist. Das ist ein Problem. Denn: Wird zu viel Gülle ausgebracht, landen Nitrate im Grundwasser.
Die kantonalen Umweltdirektoren hielten im vergangenen Jahr fest, die Überdüngung sei «eine der grössten Herausforderung für die Landwirtschaft». Denn Nitrate im Grundwasser gefährden nicht nur die Umwelt, sondern auch die menschliche Gesundheit.
Dennoch wehrt der Bauernverband mit aller Kraft jegliche Gegenmassnahmen ab – bisher äusserst erfolgreich. Nun aber hat die Landwirtschaftslobby den Bogen womöglich überspannt und sogar bauernfreundliche Politiker brüskiert.
Kommissionsgeheimnis verletzt
Was ist passiert? Am 4. September publizierte die «BauernZeitung» einen Artikel über den eine Woche zuvor gefällten Entscheid der ständerätlichen Wirtschaftskommission, die Menge der Nährstoffe – also das, was in Gülle oder Dünger enthalten ist – künftig zu reduzieren. So, wie das die Kantone fordern. Und so, wie das der Bundesrat in seiner «Agrarpolitik 2022» vorschlägt.
Doch die «BauernZeitung» berichtet nicht nur, was entschieden wurde, sondern auch im Detail, wer in der Kommission wie gestimmt hat. Wobei der Autor alle, die seiner Meinung nach «falsch» votiert haben, unverhohlen dazu aufruft, ihren Entscheid zu korrigieren.
Das Problem dabei: Die Sitzungen der Parlamentarier sind streng vertraulich. Wer immer das Sitzungsprotokoll an die «BauernZeitung» weitergab – und damit den unliebsamen Entscheid rückgängig machen wollte –, hat das Kommissionsgeheimnis verletzt. Ein Vorgang, der im Ständerat beispiellos ist.
Problem der Überdüngung auf die lange Bank geschoben
Entsprechend aufgebracht sind die Kommissionsmitglieder. Beim SP-Ständerat Roberto Zanetti (65) ist der Ärger auch Tage später noch nicht verraucht. «Ich finde es ungeheuerlich, dass in der Zeitung praktisch ein Kurzprotokoll der Sitzung publiziert wird», so der Solothurner, «und dann noch mit einer Namensliste!» Er politisiere bereits seit zehn Jahren im Ständerat, aber so etwas habe er noch nie erlebt.
FDP-Ständerat Hans Wicki (56) stört sich ebenfalls an diesem Vorgehen. «Es ist nicht fair vom Bauernverband, mit dem Finger auf jene zu zeigen, die eine andere Meinung vertreten», sagt Wicki. Dies habe er Markus Ritter, dem Präsidenten des Bauernverbands, auch gesagt, als er ihn zusammen mit weiteren Ständeräten zu einer Aussprache traf.
CVP-Nationalrat Ritter (53) war es, der die Geschichte überhaupt ins Rollen gebracht hatte. Eine Woche vor besagter Sitzung, am 20. August, war es dem Biobauern nämlich durch einen Deal mit FDP-Ständerat Ruedi Noser (59) gelungen, die Debatte über die Agrarpolitik 2022 und damit auch die Nitrat-Problematik zu sistieren; das Problem der Überdüngung war auf die lange Bank geschoben.
Im Gegenzug sicherte Ritter zu, dass sich die Bauern gegen die Konzernverantwortungs-Initiative aussprechen würden.
Knapper Entscheid erwartet
Dieser Kuhhandel sorgte ausserhalb der FDP für einigen Ärger. Als SP-Politiker Zanetti an der Kommissionssitzung vorschlug, trotz der sistierten «Agrarpolitik 2022» wenigstens das Problem der Überdüngung anzugehen, stiess er auf breite Unterstützung: Zehn Parlamentarier stimmten dafür, einer dagegen.
Die Ständeräte sprachen sich dafür aus, die Stickstoff- und Phosphorverluste der Landwirtschaft bis 2030 um 20 Prozent zu senken – auch mit dem Ziel, im kommenden Abstimmungskampf gegen die Trinkwasser- und Pestizid-Initiative etwas in der Hand zu haben.
Ob der Vorschlag durchkommt, entscheidet am Montag der Ständerat. Trotz der klaren Abstimmungsverhältnisse in der Kommission dürfte der Entscheid im Rat knapp ausfallen: Die Lobbying-Maschinerie der Bauern läuft auf vollen Touren. Der Bauernverband warnt unter anderem davor, dass das Reduktionsziel einen «massiven Abbau» der Tierbestände zur Folge hätte.
Bauern gegen Kantone
SVP-Ständerat Hannes Germann (64), der vor zwei Wochen noch für die Absenkung gestimmt hatte, hegt nun leise Zweifel an diesem Weg. «Wir wurden von Zanettis Antrag etwas überrumpelt», sagt er. «Im Nachhinein sind verschiedene offene Fragen aufgetaucht – zum Beispiel, was eine solche Reduktion für die Bergbauern bedeuten würde.» Das ändere nichts daran, dass Handlungsbedarf bestehe, schiebt der Schaffhauser nach.
Seine Meinung komplett revidiert hat hingegen FDP-Ständerat Wicki. Man sei in der Kommission zu weit gegangen, meint er im Rückblick. Und lässt erkennen, dass er oder einer seiner Ratskollegen am Montag einen Einzelantrag einreichen wird, um auf den Entscheid zurückzukommen.
Wie der Antrag genau formuliert sein wird, ob die Reduktionsziele also nach unten korrigiert oder komplett gestrichen werden sollen: Das lässt Wicki offen.
Allerdings werben derzeit nicht nur die Bauern für ihren Standpunkt. Auch die Kantone appellieren an die Standesvertreter – und rufen sie auf, an den Reduktionszielen festzuhalten. Zumal diese «zaghaft angesetzt wurden», wie die Umweltdirektoren in einem Brief an die Ständeräte schreiben, der SonntagsBlick vorliegt.
Wem die Ständeräte mehr Gehör schenken, wird sich zeigen: Den Bauern – oder den Kantonen, deren Interessen sie eigentlich vertreten.