Hässliche Früchte und Gemüse sind noch das Harmloseste, was der Schweiz droht. Dies, wenn die Trinkwasser- und die Pestizidverbots-Initiative angenommen würden. Das sagen die sonst zurückhaltenden Agrochemiekonzerne Syngenta und Bayer. Sie kamen am Mittwoch erstmals aus der Deckung, um die Initiativen zu bekämpfen. Diese stehen nächstes Jahr zur Abstimmung. Ihre Annahme käme gemäss Syngenta-Schweiz-Chef Roman Mazzotta (47) einem Pestizidverbot gleich. «Doch die Lebensmittelsicherheit kann ohne Pestizide nicht gewährleistet werden», betont er.
Ohne synthetische Pestizide, die die Pestizid-Initiative verbieten will, sänken die Ernteerträge und Lebensmittel würden zudem teurer. Dieselben Auswirkungen habe die Trinkwasser-Initiative. Sie verlangt, dass nur noch jene Bauern Subventionen erhalten sollen, die keine Pestizide, Antibiotika für Tiere und zugekauftes Futter einsetzen.
«Nur Pestizide nützen gegen Baumwanze»
«Der Verzicht auf synthetische Produkte wäre für die Schweizer Landwirtschaft eine Katastrophe», applaudiert ihm Felix Reiff (58), Schweiz-Präsident des Agrarchemie- und Pharmakonzerns Bayer. Sowohl Reiff als auch Mazzotta betonen, dass es ihnen nicht um das Geschäft in der Schweiz gehe, das sowieso verschwindend klein sei.
Die beiden Unternehmen hätten die Lobbygruppe Swiss Food gegründet, weil sie sich Sorgen um den Innovationsstandort Schweiz machten. Wie viel Geld sie für die Kampagne gegen die zwei kleinen Initiativkomitees einsetzen, wollten sie nicht bekannt geben.
Heute produzieren nur rund 15 Prozent der Schweizer Bauern so, dass sie die Anforderungen der Initiativen erfüllen. Beispiele, wo Pestizide notwendig sind, haben die Agrokonzerne genug. Ohne Gegenmittel würde etwa die Marmorierte Baumwanze die Obst- und Gemüseernte im Thurgau gefährden, so Mazzotta. Raps wiederum lasse sich in der Schweiz nur mit Schädlingsbekämpfung anbauen.
Leere Regale
«Wir wollen Ernähungssicherheit sicherstellen – in der Schweiz sind wir es nicht gewohnt, vor leeren Regalen zu stehen», führt Mazzotta aus. Im Übrigen verwende auch die Biolandwirtschaft synthetisierte Kupferprodukte etwa für Kartoffeln.
Dem widerspricht allerdings der Initiant der Pestizidverbots-Initiative, Mitchell Edward (50), Biologieprofessor an der Uni Neuenburg. Der Biolandbau nutze keine synthetischen Stoffe – also solche, die nicht in der Natur vorkommen. Eingesetzt würden Biopestizide – giftige Stoffe aus der Natur, die viel weniger toxisch seien als synthetische.
Zwar werfe der Biolandbau weniger Erträge ab, räumt Edward ein. Aber seine Produktion verbrauche 20 Prozent weniger Energie. «Zudem dürfen die Umwelt- und Gesundheitskosten, die Pestizide verursachen, nicht unterschätzt werden», hebt er hervor. Rund eine Million Schweizer tränken Wasser, das mit dem Pestizid Chlorothalonil verschmutzt sei. Das Fungizid ist seit Anfang Jahr verboten, nachdem eine ETH-Studie zeigte, dass Rückstände den Grenzwert massiv überschritten.
Regionale Produktion gefährdet
Dass Pestizide Food Waste verringern, weil die Produkte nicht schon im Laden traurig aussehen und haltbarer werden, wie Syngenta und Bayer weiter ins Feld führen, trifft laut Edward ebenfalls nicht zu. Vielmehr verursache die Produktion von billigen Lebensmitteln mit Pestiziden Lebensmittelverschwendung, weil die Konsumenten zu viel kauften.
Die Schweiz-Chefs von Bayer und der inzwischen chinesischen Syngenta erwarten, dass die Annahme der Initiative gravierende Folgen für Investitionen und Arbeitsplätze der Konzerne hierzulande hätte. Aber auch andere Betriebe wären gefährdet: «Denn ohne Pflanzenschutz in der Schweiz drohen massive Einbrüche in der regionalen Landwirtschaftsproduktion.»