In einem Punkt sind sich die verschiedenen Militärverbände einig: Die Armee steht vor einem Scherbenhaufen, der sich über Jahre angehäuft hat, den aber kaum jemand habe sehen wollen. Über Lösungswege aus der Misere gehen die Meinungen aber auseinander.
Klar ist: Das Geld wird in den nächsten Jahren so knapp, dass das Militär bei Rüstungsfirmen um Zahlungsaufschub betteln muss. Die Finanzprobleme gehen so weit, dass das Heer laut Armeechef Thomas Süssli (57) bald vor dem Aus stehen dürfte.
Das Problem: Die Armee hat mehr Ausgaben bewilligt, als das Budget hergab. Ende 2022 war das Parlament auf die Sparbremse getreten und hatte beschlossen, das Budget nicht wie ursprünglich vorgesehen bis 2030 auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu erhöhen, sondern erst bis 2035. In den nächsten Jahren steht die Armee vor einem Milliardenloch. Allein im laufenden Jahr fehlen der Armee 800 Millionen Franken.
Armee müsse finanzpolitisch Priorität haben
Stefan Holenstein vom Verband Militärischer Gesellschaften (VMG) erwartet, dass das Parlament nochmals über die Bücher geht und der Armee bei der Budgetberatung im Dezember doch noch die nötigen Gelder zuspricht. Wegen der sich verschärfenden Sicherheitslage in Europa müsse die Armee finanzpolitische Priorität haben, betont er in den Zeitungen von Tamedia. Gespart werden soll anderswo.
Sollte das Parlament aber nicht einlenken, droht VMG-Präsident Holenstein bereits mit einer Volksinitiative: «Damit könnten wir in der Verfassung verankern, dass die Ausgaben für die Armee mindestens 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen müssen.» Doch auch Holenstein ist bewusst, dass dies ein langer Weg wäre. Daher würden zuerst politische Lösungen gesucht.
Holenstein aber betont, dass er sich keineswegs vor einer Initiative scheue. Intern sei das schon diskutiert worden. Und die Militärverbände seien durchaus initiativfähig. Die VMG alleine habe gegen 100'000 Mitglieder. Die befreundete Schweizerische Offiziersgesellschaft (SOG) nochmals rund 20'000, Schützenvereine sogar über 150'000 Mitglieder. «Ich denke, wir hätten die 100’000 Unterschriften schnell zusammen.»
«Ich kann mich für eine solche Initiative nicht erwärmen»
Allerdings: Die Militärverbände sind sich alles andere als einig. Bisher hätten zur Idee einer Volksinitiative keine Gespräche stattgefunden, erklärt SOG-Präsident Dominik Knill dem Blick. «Wir wurden da als Milizverband etwas überrascht.» Und Knill stellt klar: «Ich kann mich für eine solche Initiative nicht erwärmen.» Zumal auch die Erfolgsaussichten unsicher seien.
Um eine Volksinitiative durchzuziehen, sei erfahrungsgemäss ein Budget von rund einer Million Franken nötig. Bisher sei völlig offen, woher das Geld kommen sollte, gibt Knill zu bedenken. Und vor allem: «Ich frage mich, ob es tatsächlich nötig wäre, ein solches Finanzziel gleich in der Verfassung festzuschreiben.» Das würde der Politik noch mehr Handlungsspielraum nehmen – gerade, wenn nach einer Annahme der 13. AHV-Rente die Gelder noch deutlich knapper würden.
Offizieren schwebt Überbrückungskredit vor
Komme hinzu, dass gegen zehn Jahre vergehen würden, bis eine solche Initiative in Kraft treten könnte. «Das wäre viel zu lange», ist Knill überzeugt. «Bis dahin sollte die Armee den Finanzierungsengpass wohl ohnehin überwunden haben.»
Der SOG selber schwebt vielmehr eine Lösung in Form eines Überbrückungskredits vor. Details wären noch zu diskutieren. Man könnte aber mit beispielsweise fünf Milliarden Franken dringliche Lücken schliessen und verzinsliche Rückzahlungen für später vereinbaren, wenn das Budgetziel von einem Prozent des BIP umgesetzt wird.
So oder so: Die Finanz-Misere der Armee wird noch für viel Zündstoff sorgen.