Die Armee kämpft derzeit gegen einen mächtigen Feind: die eigenen Finanzen. Das Geld wird in den nächsten Jahren so knapp, dass das Militär bei Rüstungsfirmen um Zahlungsaufschub betteln muss. Beliebte Publikumsanlässe werden aus Spargründen gestrichen. Die Finanzprobleme gehen so weit, dass das Heer laut Armeechef Thomas Süssli (57) bald vor dem Aus stehen dürfte.
Grund für die Militär-Misere: Die Armee hat viel mehr Ausgaben bewilligt, als das Budget hergab. Aufgrund des maroden Bundeshaushalts ist das Parlament Ende 2022 auf die Bremse getreten und hat beschlossen, das Budget nicht wie ursprünglich vorgesehen bis 2030 auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, sondern erst bis 2035. In den nächsten Jahren steht die Armee vor einem Milliardenloch. Allein im laufenden Jahr fehlen der Armee 800 Millionen Franken.
Amherd war offenbar einverstanden
Bisher schwieg Verteidigungsministerin Viola Amherd (61) zum Thema. «Die Armee wurde während dreissig Jahren kaputtgespart», war das einzige Statement, das sie abgab. Interne Dokumente, die Blick vorliegen und über die der «Tages-Anzeiger» zuerst berichtet hat, belegen nun allerdings: Die Bundesrätin kämpfte im Bundesrat offensichtlich nicht für ein schnelleres Wachstum der Armeeausgaben.
Finanzministerin Karin Keller-Sutter (60) suchte Anfang 2023 in den verschiedenen Departementen Zustimmung für ein Budgetkonzept, für das sie breite Unterstützung fand. Keller-Sutter betonte gemäss Unterlagen, dass Amherds Verteidigungsdepartement (VBS) mit der vorgeschlagenen Reduzierung der Armeeausgaben im Jahr 2024 einverstanden war.
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Explizit heisst es in einem Aussprachepapier: «Das EFD beantragt in Absprache mit dem VBS, die Armeeausgaben im Voranschlag 2024 gegenüber der aktuellen Planung um 286 Millionen zu reduzieren.» Das Dokument listet weiter auf, welche Projekte und Bereiche in den Departementen in den nächsten Jahren besonders viel Geld benötigen.
Ratlose Poltiker
Das VBS nennt da nicht etwa den Erhalt der Bodentruppen oder die Erneuerung völlig veralteter Systeme, wie sie Süssli beklagt. Explizit genannt werden die Stichworte Bevölkerungsschutz, Cyber-Sicherheit sowie das Bundesamt für Landestopografie Swisstopo. Damit der Bundesrat sein Sparziel überhaupt könne, «hat auch das VBS seinen Beitrag geleistet», teilte das VBS auf Anfrage mit. Dafür sei die Armee von linearen Kürzungen verschont geblieben.
Wo man auch anklopft bei den Sicherheits- und Finanzpolitikern in Bern, es herrscht grosse Ungewissheit und Unsicherheit über die Herkunft sowie die Konsequenzen des Lochs in der Armeekasse: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Amherd die Senkung der Armeeausgaben einfach so hingenommen hat», sagt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (59) zu Blick.
SVP-Nationalrat Mauro Tuena (52) wird deutlicher: «Die Dokumente zeigen ganz offensichtlich, dass Verteidigungsministerin Viola Amherd bei der Beschlussfassung im Bundesrat ihre Armee und damit auch deren Verteidigungsfähigkeit im Regen hat stehen lassen. Und das schockiert mich», sagt der Sicherheitspolitiker.
Einmal sind sich Links- bis Rechtspolitiker im Bundeshaus aber einig: Es gebe sehr viele Ungereimtheiten in der Geschichte um die aufgetauchte Fähigkeitslücke der Armee. Man werde die zuständige Bundesrätin am 21. Februar an der nächsten Sitzung der Sicherheitspolitischen Kommission mit Fragen löchern.