Noch bevor der Bundesrat über weitere Verschärfungen entschieden hat, zwingt die Corona-Entwicklung die Kantone zum Handeln. So gelten in Neuenburg seit dieser Woche vielerorts 2G-Regeln, und private Treffen sind unabhängig vom Impfstatus auf zehn Personen begrenzt. Nidwalden hat soeben die Verlängerung der Weihnachtsferien beschlossen.
Bei einem Treffen mit Bundesrat Alain Berset (49) machten die kantonalen Gesundheitsdirektoren jedenfalls «dringenden Handlungsbedarf» aus. Gerade auch wegen der angespannten Situation in den Spitälern. So wurde am Dienstag die kritische Schwelle von 300 Covid-Patientenauf den Intensivstationen überschritten – mit 304 Fällen.
Die aktuelle Corona-Entwicklung macht den Experten des Bundes weiterhin Sorgen. «Die epidemiologische Entwicklung ist ziemlich unsicher und beunruhigend», sagte Virginie Masserey vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag vor den Medien. Das Wachstum der Fallzahlen habe sich auf hohem Niveau etwas verlangsamt, aber die Zahlen der Hospitalisierungen und Todesfällen würden weiter steigen. Zudem sei offen, ob die Verlangsamung auch anhalte.
Die Tendenz müsse gestoppt werden und die Infektionszahlen müssten zurückgehen, damit das Land für die Omikron-Variante gerüstet sei, betonte Masserey.
Omikron-Welle kommt auf die Schweiz zu
Die Omikron-Welle wird nämlich auch die Schweiz erfassen, da sind sich die Experten des Bundes sicher. Die neue Variante werde die Covid-Epidemie in der Schweiz ab Anfang 2022 prägen und dominant werden, erklärte Taskforce-Chefin Tanja Stadler.: «Omikron breitet sich noch schneller aus als Delta», sagte sie. «In England, Schottland und Dänemark breitet sich Omikron mit einer Verdoppelung der Fälle alle zwei bis vier Tage aus.» Dort mache Omikron derzeit 15 bis 20 Prozent der Fälle aus, in London bereits über 40 Prozent.
Sie geht davon aus, dass die Krankheitsverläufe von Omikron mit jenen der Delta-Variante vergleichbar sind. Denn bisher gebe es keine belastbaren Daten, wonach die Verläufe milder als bei der Delta-Variante seien. Da die Omikron-Variante aber ansteckender sei, würden sich die Spitäler schneller füllen, so Stadler.
Booster nötig wegen Omikron
Der bisherige Impfschutz sei bei Ansteckungen mit Omikron begrenzt, so Stadler. Liege der Schutz gegen eine Delta-Infektion vier Monate nach der zweiten Impfung bei 70 bis 75 Prozent, betrage der Infektionsschutz bei Omikron nur noch 10 bis 50 Prozent. Die dritte Impfung erhöhe diesen Schutz vor Omikron kurzfristig auf 60 bis 85 Prozent.
«Auch Geimpfte werden sich vermehrt infizieren», sagte die Taskforce-Chefin. Umso wichtiger sei es, sich möglichst zu schützen – auch mit den bisherigen Massnahmen wie das Maskentragen, das Reduzieren von Kontakten und vor allem in den Schulen das regelmässige Lüften. Und einmal mehr der Aufruf der Experten: Lassen Sie sich impfen!
Klar ist damit: Bund und Kantone stehen in der Pflicht. Nicht nur bei den Verschärfungen, über welche der Bundesrat am Freitag entscheidet, sondern auch bei der Impfkampagne. Beim Boostern sind noch nicht alle richtig aus den Startblöcken gekommen. Und nun stehen auch schon die Kinderimpfungen an.