Auf einen Blick
- Parham Sendi leitet die Abteilung für übertragbare Krankheiten beim BAG
- Sendi betont die Wichtigkeit von Transparenz und Dialog bei Pandemiebekämpfung
- BAG nutzt noch ein Faxgerät für Krankheitsmeldungen von Ärzten und Laboren
Als vor fünf Jahren Corona die Schweiz erreichte, spürte es Parham Sendi (52) direkt: Im Unispital Basel setzte er die Entscheide aus Bern um. Fünf Jahre später ist er als Leiter der Abteilung für übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit selbst für die Entscheide aus Bern verantwortlich. Sendi ist der Nachfolger von Daniel Koch (69), der während der Pandemie Kultstatus erreichte.
Parham Sendi, um auf die Coronabekämpfung aufmerksam zu machen, sprang Daniel Koch gar in die Aare. Baden Sie gerne?
Parham Sendi: Ich schwimme ebenfalls gerne in der Aare, wenn auch selten.
Sind Sie auch bereit, sich so zu exponieren?
Wenn es zu einer Krise kommt, gehört es zur Rolle, sich zu exponieren.
War Ihnen das Ausmass klar, dass dieses Virus annehmen wird, als Sie zum ersten Mal vom Coronavirus gehört haben?
Erst als ich die Bilder in Bergamo gesehen habe. Da war mir klar, dass Corona auch in einem grossen Ausmass in die Schweiz kommen würde.
Parham Sendi leitet seit Juli 2023 die Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit. Er ist der Nachfolger von «Mr. Corona» Daniel Koch. Sendi ist Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie mit Zusatzschwerpunkt Infektionsprävention und -kontrolle. Aufgewachsen in Riehen (BS) absolvierte er das Medizinstudium in Basel und arbeitete danach in verschiedenen Kliniken im In- und Ausland. Sendi übt sein Amt in einem 80-Prozent-Pensum aus. Daneben forscht und arbeitet der Teilzeitbeamte weiter als Professor.
Parham Sendi leitet seit Juli 2023 die Abteilung übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit. Er ist der Nachfolger von «Mr. Corona» Daniel Koch. Sendi ist Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie mit Zusatzschwerpunkt Infektionsprävention und -kontrolle. Aufgewachsen in Riehen (BS) absolvierte er das Medizinstudium in Basel und arbeitete danach in verschiedenen Kliniken im In- und Ausland. Sendi übt sein Amt in einem 80-Prozent-Pensum aus. Daneben forscht und arbeitet der Teilzeitbeamte weiter als Professor.
Wie haben Sie diese Zeit im Spital erlebt?
Die erste Welle war sehr anstrengend, obwohl es im Vergleich zu den darauffolgenden Wellen weniger Fälle gab. Das Anstrengendste war die Ungewissheit: Die Patienten hatten Angst. Das Personal sorgte sich. Aus der Bevölkerung kamen viele Fragen. Aber das ganze Team wollte helfen, da hat man seine privaten Interessen zurückgestellt.
Gibt es etwas, was Sie während der Pandemie anders gemacht hätten?
Das ist eine schwierige Frage. Immer wenn wir etwas neu erfahren haben, kam die nächste Phase der Ungewissheit. Jetzt gibt es aber die Aufarbeitung, wo man Verbesserungspotenzial sieht.
Welches?
Wenn man die Pandemie in drei Phasen teilt, hat die Schweiz die erste und die dritte Phase sehr gut gemacht. Dazwischen gab es viele Herausforderungen.
Inwiefern?
Es wurde geimpft, die Immunität ist gestiegen, aber gleichzeitig mutierte das Virus. Die Übertragungen sind immer schneller geworden. Wenn Sie dann Massnahmen verkünden, wird die Bevölkerung verständlicherweise pandemiemüde.
Gibt es weitere Erkenntnisse?
Wir müssen neben medizinischen auch soziale Aspekte und die Sicht der Betroffenen, zum Beispiel der Senioren in den Altersheimen oder der Jungen, mehr einbeziehen. Welche Massnahmen sind für sie in welchem Ausmass belastend? Was für eine Lösung könnte man anbieten?
Wenn jetzt morgen eine neue Pandemie anfangen würde, wären wir bereit?
Nein. Nicht ganz wie gewünscht. Aber wir sind weiter als vor fünf Jahren. Dies hundertprozentig. Wir haben nachhaltige Projekte angestossen. Aber deren Umsetzung braucht Zeit.
Welche Projekte sind das?
Da ist zum Beispiel der neue Pandemieplan, ein Projekt zur Stärkung der Versorgungssicherheit, ein verbessertes Überwachungssystem für Viren und Bakterien und das Epidemiengesetz, das nun revidiert wird. Wenn die umgesetzt werden, sind wir wirklich besser vorbereitet.
Welches ist das Wichtigste?
Man kann eine Pandemie nicht mit einem Element bewältigen. Es sind alle wichtig.
Glauben Sie, dass die Schweizer Bevölkerung jetzt auch dank Corona sensibilisierter ist für Pandemien?
Ja. Ich glaube aber auch, dass der Mensch relativ schnell vergisst. Das zeigt sich jetzt bei der Diskussion um die Prioritätensetzung.
Kürzlich gab das BAG bekannt, dass man sparen muss. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Wir müssen wie alle anderen Bundesämter auch Prioritäten setzen. Unsere Schwerpunkte sind bei der Digitalisierung, bei der Kostendämpfung, bei der Versorgungssicherheit oder auch bei der Bekämpfung übertragbarer Krankheiten. Bei anderen Projekten kommt es entsprechend zu Verzögerungen oder Streichungen. Es reicht dann einfach nicht mehr für alles.
Wo spürt das der Bürger?
Wir haben über die Jahre nationale Strategien erarbeitet, die der Bundesrat verabschiedet hat, zum Beispiel zur Bekämpfung von sexuell übertragbaren Krankheiten. Das hat Erwartungen geschürt. Wenn man jetzt realisiert, dass sich das zeitlich etwas verschiebt, wird man das spüren.
Glauben Sie, dass es in der Schweiz nochmals Lockdowns geben wird?
Das versuchen wir mit allen Mitteln zu verhindern. Aber jede Pandemie wird Massnahmen brauchen. Wichtig ist, dass man jede Massnahme auf ihre Wirkung kontinuierlich prüft, aber auch auf ihre Kollateralschäden.
Hätten wir denn jetzt genügend Masken für alle?
Im Pandemieplan wird empfohlen, dass verschiedene Stellen einen Maskenvorrat anlegen. Für die Beschaffung sind in erster Linie die Kantone zuständig. Erst wenn das nicht mehr funktioniert, könnte auch der Bund medizinische Güter beschaffen.
Haben Sie selbst einen Maskenvorrat?
Ja. Ein Maskenpaket pro Person ist nützlich. Wenn Sie krank sind, sollten Sie zu Hause bleiben und nicht andere Leute anstecken. Doch im Alltag gibt es Situationen, in denen es nicht anders geht; zum Beispiel bei einem Arzttermin. Dort ist das Tragen einer Maske sinnvoll. Aber es ist nicht sinnvoll, wenn Sie in die Apotheke gehen und ein Palett voller Masken kaufen und in der Garage horten.
Wie hoch ist denn die Gefahr, dass es bald zu einer neuen Pandemie kommt?
Wir verfolgen das Virengeschehen aktiv. Momentan fokussieren wir uns auf die Vogelgrippe. Die Risikoeinschätzung ist aber im Moment unverändert. Es gibt nach wie vor keine Hinweise für eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung.
Wie präsent sind die Massnahmen-Skeptiker noch?
Es gibt seit drei Jahren keine Massnahmen mehr, also wenig. Wir bekommen manchmal aber noch unschöne Mails.
Wie würden Sie die Leute von Massnahmen überzeugen?
Ich glaube, was wichtig ist, dass man kontinuierlich versucht, über den Stand des Wissens transparent zu informieren. Man soll offen sagen, was man weiss und was nicht. Es braucht auch Raum für die Diskussion und den Dialog. Wenn Skepsis aufgrund einer Wissenslücke besteht, bin ich überzeugt, dass man dort so die Leute abholen könnte.
Zum Symbol der Digitalisierung beim Bund wurden die Faxgeräte, die noch immer im Betrieb waren. Wie viele gibt es im BAG heute noch?
(Lacht.) Dazu muss ich erklären, was der Hintergrund ist: Ärzte und Labore müssen gewisse Krankheiten melden, damit wir sie bekämpfen können. Wir haben dafür aber längst ein digitales Tool, und technisch sind alle Labore der Schweiz daran angeschlossen. Manche tun sich aber schwer mit der Umstellung, sodass wir gewisse Daten teils noch per Fax entgegennehmen. Einen gibt es darum noch – sonst bekämen wir die Daten nicht.