«Kann ich ein besonders kleines Stück haben?», fragt Patrick Mathys und reicht einen Teller mit einem Kuchenstück an ein Kind weiter. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat zum Feiern auf den Bundesplatz in Bern geladen. Es gibt Kuchen für Passanten und eine Impfdosis für Spontane in einem Wagen nebenan.
Der Grund für die Feierlichkeiten: Beinahe zwei Drittel der Erwachsenen hierzulande sind mindestens einmal geimpft. «Es ist ein guter Zeitpunkt, allen Merci zu sagen», sagt Mathys, der beim BAG für die Krisenbewältigung zuständig ist.
GLP-Grossen will Sticker
Am Ziel ist der Bund freilich noch nicht. Das Impftempo stockt, die Ansteckungen nehmen wegen der Delta-Variante wieder zu. Nach wie vor sei ein beträchtlicher Teil der verletzlichen Personen nicht geimpft, warnt die Taskforce.
Um die Ungeimpften erkennbar zu machen, schlägt GLP-Präsident Jürg Grossen (51) Impf-Sticker vor: «Pfleger, Betreuerinnen, das Personal in Kitas und so weiter könnten zum Beispiel Sticker tragen, die zeigen, ob sie geimpft sind oder nicht», sagte er gegenüber der «SonntagsZeitung». Damit könnten Menschen in öffentlichen Einrichtungen vor Ansteckungen geschützt werden.
Covid-Zertifikat fürs Restaurant?
Beim BAG zeigt man sich offen für diese Idee. «Das ist grundsätzlich nichts Neues», sagt Patrick Mathys. In vielen Spitälern trage das Personal, das gegen die Grippe geimpft sei, bereits heute einen Sticker. «Ich sehe da kein riesiges Problem.»
Sollten die Fallzahlen in den nächsten Monaten stark steigen und die Spitäler an den Anschlag bringen, komme auch eine Ausweitung der Zertifikatspflicht auf Restaurants oder kleinere Veranstaltungen infrage. «Eine Ausweitung des Zertifikats wäre allemal sinnvoller, als wieder Schliessungen ins Auge zu fassen.»
Noch einen Schritt weiter geht Mitte-Nationalrat Lorenz Hess (60). Im Blick sprach er sich für einen Impfzwang für die Pflegenden aus, sollte das Gesundheitssystem an seine Grenzen kommen.
Heimverband findet Sticker «unverhältnismässig»
Zurückhaltender ist der Berner Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (58, SVP), der an diesem Montagnachmittag gemeinsam mit Mathys Kuchenstücke an die Passantinnen verteilt. Er würde momentan nicht auf Sticker setzen: «Ich glaube, wir müssen auf dieser Ebene aufpassen. Es gibt genügend andere Wege, die Leute von einer Impfung zu überzeugen.»
Ähnlich klingt es auch bei den Betroffenen selbst. Der Heimverband Curaviva schreibt auf Anfrage: «Sollte eine Kennzeichnung Nicht-Geimpfter einzig den Zweck haben, den Druck auf das Personal zu erhöhen, ist dies aus unserer Sicht rechtlich und politisch unverhältnismässig.» Der Impfstatus gehöre schliesslich zu den schützenswerten Daten. Der Verband unterstützt vielmehr das persönliche Gespräch vor Ort und hofft, dass sich das Personal so von einer Impfung überzeugen lässt.