Darum gehts
Die Schweizer Autobranche ist in Aufruhr. Bis zu einer halben Milliarde Franken Strafzahlungen könnte den Autoimporteuren alleine dieses Jahr drohen – weil sie die CO2-Vorgaben nicht erfüllen.
Ausgerechnet an dem Tag, als Donald Trump seine Zölle ankündigte, erliess auch Verkehrsminister Albert Rösti eine entsprechende Verordnung. Was bedeutet das für die Importeure? Warum harzt der Verkauf von E-Autos? Und hätten sich die Importeure nicht längst schon besser vorbereiten sollen? Im Interview nimmt Peter Grünenfelder (58), Präsident des Importeurverbands Auto-Schweiz, Stellung.
Blick: Verkehrsminister Albert Rösti war Präsident von Auto-Schweiz, bevor er Bundesrat wurde. Nun könnte er den Autoimporteuren mehrere Hundert Millionen Franken Bussen auferlegen. Wie enttäuscht sind Sie von ihm?
Peter Grünenfelder: Es ist ein enttäuschender Entscheid des Gesamtbundesrats, weil er die Marktrealität ausblendet. Wir haben Ende März absatzmässig gerade das schlechteste Quartal des laufenden Jahrtausends durchlebt. Von einem Bundesrat mit bürgerlicher Mehrheit erwarten wir, dass er auf die Bedürfnisse der Autobranche als Motor der Wirtschaft mehr Rücksicht nimmt.
Sie werfen dem Bundesrat vor, er sorge für den Verlust von Tausenden Arbeitsplätzen.
Der Autoverkauf ist ein Geschäft mit eher niedrigen Margen. Wenn wir nun bis zu einer halben Milliarde Franken Bussen zahlen müssen, wird das Geschäft teilweise nicht mehr rentabel betrieben werden können. Das hat Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Lehrstellen. Es wird zu Betriebsschliessungen kommen. Konsumenten, KMU und Gewerbe werden darunter leiden, weil die Mobilität durch hohe Sanktionsfolgen teurer wird.
Peter Grünenfelder wurde 1967 geboren und wuchs in Küsnacht am Zürichsee auf. Der promovierte Betriebswirt startete 1994 als Redaktor der Zeitschrift «Schweizer Arbeitgeber» und war politischer Sekretär der FDP Schweiz. Ab 2004 war er Staatsschreiber des Kantons Aargau, bevor er 2016 als Direktor zum Thinktank Avenir Suisse wechselte. Seit August 2023 amtiert er als Präsident des Autoimporteursverbandes Auto-Schweiz. Er lebt mit seiner Frau, er ehemaligen FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, und dem gemeinsamen Sohn in Zürich und Burgdorf BE.
Peter Grünenfelder wurde 1967 geboren und wuchs in Küsnacht am Zürichsee auf. Der promovierte Betriebswirt startete 1994 als Redaktor der Zeitschrift «Schweizer Arbeitgeber» und war politischer Sekretär der FDP Schweiz. Ab 2004 war er Staatsschreiber des Kantons Aargau, bevor er 2016 als Direktor zum Thinktank Avenir Suisse wechselte. Seit August 2023 amtiert er als Präsident des Autoimporteursverbandes Auto-Schweiz. Er lebt mit seiner Frau, er ehemaligen FDP-Nationalrätin Christa Markwalder, und dem gemeinsamen Sohn in Zürich und Burgdorf BE.
Der Bundesrat sieht Entlastungen vor für Importeure, die ihren Job machten und genügend E-Autos verkaufen. Klimaschützer werfen Albert Rösti deshalb vor, noch immer Auto-Lobbyist zu sein.
Fakt ist: Die europäischen Länder zeigen sich in dieser Frage viel pragmatischer. Bundesrat und Verwaltung hätten ausreichend Spielraum gehabt, bei der Umsetzung der Verordnung auf die Marktsituation Rücksicht zu nehmen, gerade angesichts der drohenden Wirtschaftskrise. Aber hier hat eine Berner Bubble fernab von jeder Realität entschieden. Offensichtlich will man nicht sehen, wie schwierig die wirtschaftliche Situation für den Fahrzeugabsatz gerade ist. Und …
Bitte.
Wir können Herrn und Frau Schweizer nicht dazu zwingen, ein E-Auto zu kaufen. Die Realität ist schlicht und einfach, dass der Markt derzeit nicht so viele Fahrzeuge aufnimmt, wie sie sich dies in den Berner Beamtenstuben wünschen.
Sie schiessen gegen Bundesrat und Verwaltung. Tatsache ist aber: Dass diese Bussen kommen werden, ist seit Jahren bekannt. Die Importeure hätten sich vorbereiten können.
Die Modellpalette steht bereit, doch die Umstellung braucht bei den Konsumenten mehr Zeit. Die Autowirtschaft kann es nicht alleine richten. Es braucht ein ganzes, funktionierendes Ökosystem, damit mehr E-Autos in der Schweiz fahren. Heute werden die Importeure bestraft, wenn Herr und Frau Schweizer zu wenig Elektroautos kaufen. Das ist, wie wenn Sie die Migros mit Hunderten von Millionen Bussen bestrafen, weil die Leute zu wenig Bioprodukte kaufen. Das ist eine planwirtschaftliche Doktrin.
Aber nochmals: Lagen die Fehler nicht auch bei der Industrie? Zuerst wurden teure Modelle wie der Tesla gepusht, die sich der Durchschnittsschweizer nur bedingt leisten kann.
Wir haben mittlerweile über 200 E-Modelle auf dem Markt, und zwar in sämtlichen Preisklassen. Der Preis spielt keine ausschlaggebende Rolle mehr.
Der Verkehr ist für ein Drittel des CO2-Ausstosses verantwortlich. Die Strafzahlungen sollen helfen, das Klimaziel zu erreichen. Sie wollen das einfach hinausschieben.
Es wird überhaupt nichts hinausgeschoben. Die Autowirtschaft investiert Milliarden in neue Technologien und bringt laufend neue emissionsfreie Modelle heraus. Wir stehen als Autowirtschaft hinter dem Netto-Null-Ziel und dem CO2-Gesetz. Niemand bestreitet das. Aber das Schweizer Volk hat beschlossen, dass dieses Ziel bis 2050 erreicht werden muss. Die Verwaltung will aber, dass der Anteil an Elektrofahrzeugen innert Kürze bei 50 Prozent liegt. Das wäre ein Sprint von 0 auf 100, doch faktisch ist die Umstellung auf E-Mobilität ein Marathon.
Der Verkauf von Elektroautos läuft schleppend, 2024 ging er deutlich zurück. Was braucht es, damit mehr E-Autos gekauft werden?
Ich bin überzeugt, dass der Anteil der Elektroautos sukzessive steigen wird. Derzeit sind die Leute aber zurückhaltend mit grossen privaten Investitionen aufgrund der düsteren Konjunkturaussichten. Damit Leute E-Autos kaufen, muss das ganze System rundherum stimmen, von den Strompreisen bis zur Zahl der Ladestationen und einer tieferen Steuerbelastung. Um einen entscheidenden Schritt weiterzukommen, müssen wir jetzt an ganz vielen Stellschrauben drehen.
Was bedeutet das konkret?
Es gibt Länder wie Norwegen, wo der Anteil an E-Autos sehr hoch ist. Dort stimmen die Rahmenbedingungen. In der Schweiz als Land der Mieter braucht es Lademöglichkeiten in Mehrfamilienhäusern. Wir fordern steuerliche Abzugsmöglichkeiten, um das zu fördern. Dann haben wir überdurchschnittlich hohe Stromkosten. Die Stromversorger sind alles staatliche Monopolisten. Und weiter hat der Bundesrat letztes Jahr gegen unseren Widerstand eine vierprozentige Importsteuer eingeführt auf E-Autos. Wir haben davor gewarnt, dass uns mit dieser Verteuerung der Markt wegbricht. Genau das ist passiert.
Gehen Sie juristisch gegen die drohenden Millionenbussen vor?
Ein grosser Standortvorteil der Schweiz ist die Rechtssicherheit. Der Bundesrat hat aber jetzt die Verordnung rückwirkend auf Anfang Jahr in Kraft gesetzt. Dies ist aus unserer Sicht widerrechtlich und widerspricht Treu und Glauben. Nächstes Jahr werden die Strafzahlungen den Importeuren per Verfügung mitgeteilt. Bei einem Teil der Händler geht es ums nackte Überleben. Die von Strafzahlungen betroffenen Unternehmen werden sicher das Ergreifen von Rechtsmitteln in Erwägung ziehen.
Die Autoverkäufe gehen zurück, es gab ein Nein zum Autobahn-Ausbau, Tempo 30 kommt vielerorts. Ist die Schweiz automüde?
Wir haben 6,5 Millionen immatrikulierte Fahrzeuge und der Fahrzeugbestand steigt jedes Jahr. Auch 2050 wird immer noch der grosse Teil der Gütertransporte auf der Strasse abgewickelt werden, das schaffen sie nicht mit Lastenvelos. Und im Pendlerland Schweiz wird die Mehrheit immer mit dem Auto zur Arbeit pendeln, auch mit autonom fahrenden Autos. Das Auto bleibt unabdingbar für den wirtschaftlichen Fortschritt in diesem Land. Insofern sehe ich alles andere als eine Automüdigkeit.
Wie lautet Ihre Prognose für das Autojahr 2025?
Wegen der wirtschaftlichen Unsicherheit und der Erosion der politischen Rahmenbedingungen sind wir mit dem schlechtesten Quartal seit der Jahrtausendwende gestartet. Und jetzt haben wir aufgrund der Voodoo-Politik von Donald Trump noch Verwerfungen in den weltweiten Handelsbeziehungen. Die Leute werden vorsichtig sein mit grossen Investitionen. Es wird sicher kein Rekordjahr. Ich bin aber vom Naturell her ein Optimist. Mit Glück werden wir die Vorjahreszahlen erreichen. Dabei hilft, dass wir viele tolle Fahrzeuge in der Pipeline haben.