Ein Scheitern des Rahmenabkommens mit der EU wäre für die Schweiz verkraftbar. Davon ist Aussenminister Ignazio Cassis (60) überzeugt, wie er in einem Interview mit den Zeitungen der «CH Media» sagt. Das, obwohl der Bundesrat bislang argumentiert habe, die bilateralen Beziehungen erodierten ohne neues Fundament. «Alles hat einen Preis, ein Ja und ein Nein zum Rahmenabkommen», so Cassis. «Ein Scheitern wäre kein Weltuntergang.» Denn egal wie es mit dem Rahmenabkommen mit der EU weiter gehe, blieben die bisherigen Verträge bestehen – aktualisiert würden sie allerdings nicht mehr.
Ganz beerdigen will Cassis das Rahmenabkommen aber noch nicht. Denn ohne gebe es neue Hürden für die Schweizer Wirtschaft, räumt der FDP-Bundesrat ein. Man habe der EU im vergangenen November in den umstrittenen Punkten der staatlichen Beihilfen und der Unionsbürgerrichtlinie durchaus Zugeständnisse gemacht.
Letztere ist und bleibt ein Knackpunkt. Würde die Schweiz diese übernehmen, hätten EU-Bürgerinnen und Bürger hierzulande einfacher Zugang zur Sozialhilfe. Man wolle die Richtlinie nicht ganz auschliessen, so Cassis, sondern nur Elemente darin – doch die EU sei wiederum nicht willens gewesen, der Schweiz entgegenzukommen. Es sei klar, dass eine «Reanimation» des Abkommens nun von der EU kommen müsse.
«Das ist kein Schönheitswettbewerb»
Der Aussenminister hat in Sachen EU-Verhandlungen bislang häufig keine gute Figur gemacht. Zum Treffen mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) vergangene Woche wurde nicht er, sondern Bundespräsident Guy Parmelin (61, SVP) geschickt. Und immer wieder ist zu hören, dass der Tessiner mit realitätsfernen Ideen für einen Plan B im Bundesrat aufläuft.
Eine Woche nach dem Treffen von Bundespräsident Guy Parmelin (61) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) in Brüssel haben die beiden Unterhändlerinnen erneut miteinander telefoniert. Das Gespräch habe auf Initiative der EU-Kommission statt gefunden, schrieb diese am Freitag auf Anfrage von Schweizer Journalisten.
Zum Inhalt, was Staatsekretärin Livia Leu (60) und EU-Chefunterhändlerin Stéphanie Riso (45) konkret besprochen haben, wollte sich die EU-Kommission hingegen nicht äussern.
«Lösungen sind möglich»
Erneut betonte die Brüsseler Behörde, die EU sei bereit, eine Lösung beim institutionellen Rahmenabkommen für die von der Schweiz genannten Probleme zu finden. Die letzten Meter bei Verhandlungen seien zwar immer die schwierigsten, doch «Lösungen sind möglich, wenn beide Parteien Flexibilität zeigen».
Ein nächstes Telefongespräch sei kommende Woche vorgesehen, hiess es seitens der EU-Kommission weiter. (SDA)
Eine Woche nach dem Treffen von Bundespräsident Guy Parmelin (61) und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) in Brüssel haben die beiden Unterhändlerinnen erneut miteinander telefoniert. Das Gespräch habe auf Initiative der EU-Kommission statt gefunden, schrieb diese am Freitag auf Anfrage von Schweizer Journalisten.
Zum Inhalt, was Staatsekretärin Livia Leu (60) und EU-Chefunterhändlerin Stéphanie Riso (45) konkret besprochen haben, wollte sich die EU-Kommission hingegen nicht äussern.
«Lösungen sind möglich»
Erneut betonte die Brüsseler Behörde, die EU sei bereit, eine Lösung beim institutionellen Rahmenabkommen für die von der Schweiz genannten Probleme zu finden. Die letzten Meter bei Verhandlungen seien zwar immer die schwierigsten, doch «Lösungen sind möglich, wenn beide Parteien Flexibilität zeigen».
Ein nächstes Telefongespräch sei kommende Woche vorgesehen, hiess es seitens der EU-Kommission weiter. (SDA)
«Das läuft anders, als viele meinen», kontert Cassis, die Landesregierung entscheide kollegial – und es sei normal, dass Anträge auch abgelehnt werden. Selbst wenn sie vom zuständigen Aussenminister kommen. «Das ist kein Schönheitswettbewerb», so Cassis, es gehe um die Schweiz, nicht um ihn persönlich. «Für mich ist es wichtig, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Wir wollen gute Beziehungen zu unserer wichtigsten Partnerin.»
Eitel Sonnenschein mit Keller-Sutter
Gerüchte, wonach zwischen ihm und Parteikollegin Karin Keller-Sutter (57) Eiszeit herrscht, weil der Bundesrat der Justizministerin das Dossier übertragen wolle, weist er zurück. «Ich wundere mich einfach, weil es schlicht falsch ist.» Darüber habe es nie eine Diskussion gegeben.
Trotz allem: Ein Scheitern des Abkommens wäre «bis zu einem gewissen Punkt» durchaus eine persönliche Niederlage für Cassis, wie er einräumt. Er sei nach wie vor stolz auf den ersten Entwurf des Abkommens, das er als «guter, aber noch unfertiger Ausgangspunkt» bezeichnet. (gbl)
Der Bundesrat ist grundsätzlich einverstanden mit dem Rahmenabkommen. In drei Bereichen aber verlangt er Nachbesserungen:
- Lohnschutz: Brüssel will, dass die Schweiz den EU-Lohnschutz übernimmt. Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen. Sie fürchten um das Schweizer Lohnniveau.
- Staatliche Beihilfen: Im EU-Raum sind Subventionen und Steuererleichterungen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. Das könnte etwa auch die Förderung der Wasserkraft durch die Kantone umfassen. Allerdings haben die milliardenschweren Corona-Hilfspakete das Problem entschärft.
- Unionsbürgerrichtlinie: Müsste die Schweiz sie übernehmen, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Dagegen gibt es breiten Widerstand.
Der Bundesrat ist grundsätzlich einverstanden mit dem Rahmenabkommen. In drei Bereichen aber verlangt er Nachbesserungen:
- Lohnschutz: Brüssel will, dass die Schweiz den EU-Lohnschutz übernimmt. Gewerkschaften, aber auch die Arbeitgeber sind grundsätzlich dagegen. Sie fürchten um das Schweizer Lohnniveau.
- Staatliche Beihilfen: Im EU-Raum sind Subventionen und Steuererleichterungen verboten, wenn sie den Wettbewerb verfälschen. Das könnte etwa auch die Förderung der Wasserkraft durch die Kantone umfassen. Allerdings haben die milliardenschweren Corona-Hilfspakete das Problem entschärft.
- Unionsbürgerrichtlinie: Müsste die Schweiz sie übernehmen, könnten EU-Bürger in der Schweiz schneller an Sozialhilfe gelangen. Dagegen gibt es breiten Widerstand.
Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:
- Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
- Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
- Wie sichergestellt wird, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
- Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.
Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein, dürfen also nicht unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.
Das Rahmenabkommen soll die bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU in einen Rahmen einbetten. Dieser regelt:
- Wie Abkommen angepasst werden, wenn sich das EU-Recht entwickelt.
- Wer überwacht, dass beide Seiten die Abkommen richtig anwenden.
- Wie sichergestellt wird, dass beide Seiten die Abkommen gleich auslegen.
- Wer richtet, wenn es Streit über diese Fragen gibt.
Umstritten ist vor allem der letzte Punkt. In der Schweiz will man nicht, dass EU-Richter, also «fremde Richter» Streitfragen entscheiden. Der Bundesrat konnte ein Schiedsgericht aushandeln. Dieses wäre zu gleichen Teilen mit Schweizer und EU-Richtern besetzt. Die Schiedssprüche sind verbindlich. Setzt die unterlegene Partei diese nicht um, kann die andere Partei Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese müssen aber «verhältnismässig» sein, dürfen also nicht unangebracht drastisch ausfallen. Bestimmte Entscheide könnten zudem vom Europäischen Gerichtshof gefällt werden.