Auftragskiller haben alt Ständerat im Visier – Amnesty rüffelt trägen Bundesrat
Die Schweiz tut zu wenig, um Dick Marty zu schützen

Seit 18 Monaten unter Polizeischutz. Wegen seiner Rolle bei der Aufklärung von Kriegsverbrechen im Kosovo sollen Auftragskiller auf den alt Ständerat Dick Marty angesetzt worden sein. Amnesty International fordert den Bundesrat auf, mehr zu tun, um Marty zu schützen.
Publiziert: 13.05.2022 um 11:43 Uhr
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Er wird bedroht: der Tessiner alt Ständerat Dick Marty. Auftragskiller sollen auf ihn angesetzt sein.
Foto: Philippe Rossier

Ohne kugelsichere Weste kann alt Ständerat Dick Marty (77) nicht mehr aus dem Haus. Der ehemalige Tessiner Parlamentarier lebt seit nunmehr eineinhalb Jahren unter massivem Polizeischutz. Dieser ist so massiv, dass sogar Sondereinheiten mit Maschinengewehren und Granaten Martys Haus im Tessin schützen sollen.

Grund dafür ist eine Meldung, die der Nachrichtendienst des Bundes im Dezember 2020 erhalten hatte: Auftragsmörder sollen auf Marty angesetzt worden sein. Gemäss Informationen der Bundesbehörden sollen serbische Geheimdienstkreise dahinter stecken.

Schweiz soll mehr unternehmen

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert nun vom Bund, sich stärker einzubringen, um die Bedrohung gegen Marty zu beenden. So soll die Bundesanwaltschaft bislang kein Rechtshilfeersuchen an die serbische Justiz gestellt haben.

In einer am Donnerstag verabschiedeten Resolution zielt Amnesty auch direkt auf den Bundesrat: «Die Schweizer Regierung scheint keine wirksamen diplomatischen Schritte unternommen zu haben, um den Schutz ihres Staatsbürgers zu verbessern.» Es sei die Aufgabe eines Rechtsstaats, «alle juristischen und diplomatischen Mittel zu nutzen», um die eigenen Bürger zu schützen, lässt sich Alexandra Karle (55), Geschäftsleiterin der Schweizer Sektion zitieren.

Soll Kosovo die Schuld in die Schuhe geschoben werden?

Marty hatte 2010 im Auftrag des Europarats Verbrechen im Kosovokrieg untersucht und schwere Vorwürfe gegen Hacim Thaci (54) erhoben, den ehemaligen UCK-Führer und Ministerpräsidenten des Kosovos. Im Sommer 2020 wurde in Den Haag Anklage wegen Kriegsverbrechen gegen Thaci erhoben; er soll für etwa 100 Morde verantwortlich sein.

Auch Marty selbst nimmt inzwischen an, dass die Bedrohung von Kreisen ausgeht, die dem serbischen Geheimdienst nahestehen, schreibt Amnesty in der Mitteilung. Diese hätten professionelle Killer angeheuert, um ihn zu ermorden und die Verantwortung dafür auf den Kosovo zu schieben, so die Vermutung. Die serbische Botschaft in der Schweiz bestreitet die Anschuldigungen. (gbl)


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