Drohungen oder gar Gewalt gegen Politiker gibt es immer wieder – wie der Fall von Impfchef Christof Berger (59) zeigt, der Ende März entführt wurde. Doch so gefährlich wie derzeit für Dick Marty (77) es ist glücklicherweise selten.
Der ehemalige Tessiner Ständerat steht seit 16 Monaten unter massivem Polizeischutz, wie das Westschweizer Fernsehen RTS publik gemacht hat. Die Bundesanwaltschaft bestätigte vor wenigen Tagen ein «umfassendes Massnahmendispositiv».
Sondereinheit zog bei Marty ein
Dazu gehöre etwa die Sicherung im unmittelbaren Umfeld von Marty, der Nahschutz bei Auftritten im öffentlichen Raum sowie technische Schutzmassnahmen am Wohnort. Näheres wollte die Bundesanwaltschaft aus Sicherheitsgründen nicht bekannt geben.
Doch nun gibt es weitere Details: Während viereinhalb Monaten sollen bis auf die Zähne bewaffnete Sondereinheiten das Haus von Marty im Tessin geschützt haben. Sie bezogen gar im Untergeschoss Quartier, ausgerüstet mit Maschinengewehren und Granaten. Das schreibt die «Aargauer Zeitung». Noch heute verlasse Marty das Haus nur mit kugelsicherer Weste, begleitet von zwei Fahrzeugen mit Sicherheitskräften.
Marty hatte Kosovo im Verdacht
Auslöser der umfassenden Sicherheitsmassnahmen war eine Meldung, die der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) im Dezember 2020 erhalten hatte: Marty sollte von Auftragskillern ermordet werden.
Marty selbst hatte zunächst kosovarische Kreise in Verdacht. Denn im Sommer 2020 war gegen den ehemaligen UCK-Führer und Ministerpräsidenten des Kosovo, Hacim Thaci, in Den Haag Anklage wegen Kriegsverbrechen erhoben worden; er soll für etwa 100 Morde verantwortlich sein. Marty hatte 2010 im Auftrag des Europarats Verbrechen im Kosovokrieg untersucht und schwere Vorwürfe gegen Thaci erhoben.
Stecken Serben dahinter?
Doch gemäss Informationen der Bundesbehörden soll es sich bei den potenziellen Attentätern um Auftragskiller handeln, die vom serbischen Geheimdienst ausgebildet und beauftragt worden seien.
Die Zeitung zitiert zudem den ehemaligen Tessiner SP-Nationalrat Franco Cavalli (79). Er sagt: «Es soll sich um extremistische serbische Geheimdienstleute handeln, die das Attentat dem Kosovo in die Schuhe schieben wollten.» Die Situation setze Marty zu: «In den letzten 16 Monaten ist er um zehn Jahre gealtert», so der Arzt.
Behörden sind in Kontakt
Serbien wiederum reagierte empört auf die Vorwürfe. Der Sicherheits- und Informationsdienst BIA habe dem NDB einen Protestbrief zugestellt. Darin werden «die maliziösen Informationen über die angebliche Verstrickung der serbischen Geheimdienste in Mordpläne auf Schärfste verurteilt und dementiert».
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Die Bundesanwaltschaft hält auf Anfrage fest, dass die zuständigen Schweizer Behörden «in Kontakt mit den serbischen Behörden» stünden. Insbesondere sei ein Informationsaustausch mit den serbischen Polizeibehörden in Gang gesetzt worden. (sf)