Es sollte ein aussenpolitischer Höhepunkt werden. Am Samstag, den 27. Juni, sollte Kosovos Präsident Hashim Thaci (52) zu Gast im Weissen Haus sein. Die gewünschte Krönung des Treffens mit Donald Trump: der historische Handschlag mit dem serbischen politischen Kontrahenten Aleksandar Vucic (50)! Doch kurz vor dem Besuch mit dem US-Präsidenten holt den ehemaligen Kommandanten der einstigen Untergrundarmee UCK die Vergangenheit ein.
Seit 2015 ermittelt ein Kosovo-Sondertribunal in Den Haag gegen den ehemaligen Guerillaführer. Jetzt kam offenbar genug Beweismaterial zusammen. Am vergangenen Mittwoch jedenfalls erhebt die Staatsanwaltschaft in zehn Punkten Anklage gegen Hashim Thaci und neun weitere seiner politischen Wegbegleiter.
Hunderte verschleppt, gefoltert und getötet
Der heutige Premier soll während des Kosovo-Krieges Hunderte von Serben, Kosovo-Albaner, Roma und politische Gegner verschleppt, gefoltert und getötet haben. Nun prüft der Richter, ob sich Hashim Thaci wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht verantworten muss.
Das Treffen mit Trump platzt. Am Donnerstagmorgen sagte Kosovos Premier den Besuch im Weissen Haus ab und kehrte unverzüglich heim. Dort herrscht Nervosität. Viele fragen sich: Kann sich Thaci noch an der Spitze des Staates halten?
Die Vorwürfe sind nicht neu. 2010 legte der Tessiner Ständerat und Sonderermittler Dick Marty (75) einen brisanten Report vor. Hashim Thaci war Ende der 90er-Jahre Kommandant der Befreiungsarmee UCK und wurde «die Schlange» genannt. Für Marty war er auch der Anführer einer ebenso mächtigen Mafia, die Menschen tötete, um ihnen die Organe zu entnehmen und im westlichen Ausland zu verkaufen. Millionen aus dem illegalen Organhandel seien auch auf Schweizer Konten gelandet.
Verantwortlich für die Gräuel war die «Drenica-Gruppe»
Im Mittelpunkt der Gräueltaten steht unter anderem eine modern ausgestattete Klinik südwestlich der Hauptstadt Pristina. Ärzte hätten dort gefangene Serben auf ihre Eignung als Spender untersucht und dann mit einem Kopfschuss getötet und ausgeweidet.
Zuständig für den illegalen Organhandel sei die «Drenica-Gruppe» gewesen, genannt nach dem Heimatort Thacis. Sie kontrollierte auch den Drogenhandel und operierte vom Norden Albaniens aus. Von den Machenschaften hätten auch internationale Beobachter gewusst. Interveniert habe damals niemand, bedauerte Dick Marty. Es habe eine Mauer des Schweigens gegeben.
Auch Carla Del Ponte (73), damals Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofes, biss sich an Hashim Thaci und seinen Schergen die Zähne aus. Die Tessinerin hatte die Spur von 300 verschleppten Serben in Nordalbanien aufgenommen. Sie wurden für die Organentnahme brutal ermordet. Für eine Anklage fehlten Del Ponte jedoch die Beweise.