Fünf Genossen und eine Genossin sind es, die sich bewerben, nach Alain Berset (51) in den Bundesrat einzuziehen. Am Sonntag ist die interne Bewerbungsfrist abgelaufen. Die sechs Kandidierenden haben einen steinigen Weg vor sich. Die erste grosse Hürde wartet am 25. November: Dann entscheidet die SP-Fraktion, wer es aufs Ticket schafft und offiziell für die Wahlen am 13. Dezember nominiert wird. Doch wer hat welche Chancen? Und wer muss mit welchen Widerständen rechnen?
Blick macht die Auslegeordnung. Und weil die oder der Gewählte am 1. Januar mit allergrösster Wahrscheinlichkeit Bersets Gesundheitsdepartement übernimmt, in Form eines Beipackzettels. Medikamente dürften schliesslich bald zum Alltag des Berset-Nachfolgers gehören. Höchste Zeit also, sich intensiv damit auseinanderzusetzen.
Roger Nordmann (50)
Der Waadtländer ist ein Aufputschmittel mit der doppelten Dosis Koffein. Immer auf Achse, immer am Austüfteln neuer Ideen. Seit 2004 im Nationalrat, war der Politologe lange so etwas wie das Ritalin der SP-Fraktion: darauf bedacht, dass die Genossinnen und Genossen im entscheidenden Moment fokussiert sind und den richtigen Knopf drücken.
Anwendungsgebiet und Wirkung: Wer Nordmann einnimmt, bekommt Zahlen, Fakten, Argumente, Entscheide. Die Wirkung tritt sehr schnell ein. Er ist zudem gut verträglich, und selbst Bürgerliche schätzen seine Verlässlichkeit.
Risiken und Nebenwirkungen: In einigen Fällen wurden allergische Reaktionen bei welschen und jungen Fraktionsmitgliedern festgestellt. Vorsicht ist zudem bei einer Überdosierung geboten, da kann einem leicht schwindlig werden. Und ganz generell stellt sich die Frage, ob die SP ein Aufputschmittel aus einem Westschweizer Labor braucht.
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Beat Jans (59)
Der Basler sollte zum Antidepressivum werden. Seine Region wurde schon bei der letzten Wahl enttäuscht und wartet seit langem auf einen Bundesratssitz. Erst wurde er als Favorit gehandelt, doch die Luft für ihn wird immer dünner. Vielleicht reichts eben doch nur für Echinacea: gut bei einer landläufigen Erkältung, aber bei Ernsterem wie Corona verhebts halt doch nicht.
Anwendungsgebiet und Wirkung: Bis 2020 im Nationalrat, kennt Jans das Bundeshaus aus dem Effeff. Gleiches gilt für die Partei, deren Vizepräsident er war. Nur mit Gesundheitspolitik hatte er bisher wenig am Hut. Als Regierungspräsident der Pharma-Metropole Basel aber sollte das ja in seiner DNA liegen. Dort konnte er auch Exekutiverfahrung sammeln – ein Zusatznutzen.
Risiken und Nebenwirkungen: Die mächtige Bauern-Lobby reagiert überempfindlich auf ihn, in der SP soll Jans’ Wirkung hingegen nachlassen. Dort könnte er einen schweren Stand haben – gerade, weil mit Evi Allemann noch ein Mitglied einer Kantonsregierung kandidiert.
Matthias Aebischer (56)
Stets freundlich und aufgestellt, sorgt das sonnige Gemüt von Matthias Aebischer für gute Laune – wie ein Vitamin-D-Präparat. Als Bildungs- und Sportpolitiker bewegt er sich allerdings meist eher am Rande des Rampenlichts. Dafür ist er gut verträglich und tut keinem weh.
Anwendungsgebiet und Wirkung: Als ehemaliger TV-Mann hat Aebischer einen guten Auftritt. Das kann in der Politik nie schaden. Gerade bei seinen welschen Fraktionskollegen kommt er mit seinem Charme gut an. Gleichzeitig sind junge Väter und selbstdeklarierte Hausmänner bei den Sozis gerne gesehen.
Risiken und Nebenwirkungen: Aebischer wird von seiner eigenen Fraktion wenig Wirkung beigemessen. Zudem hat er als Berner sowieso einen schweren Stand. Nicht nur wegen dem Berner Bundesrat Albert Rösti (56), sondern, weil die Bernerin Evi Allemann als Frau auf dem SP-Ticket fast als gesetzt gilt. Dass Aebischer keine Exekutiverfahrung hat, kostet ihn zusätzliche Tarmed-Punkte.
Evi Allemann (45)
Die Berner Regierungsrätin ist die einzige Frau im Rennen um die Nachfolge von Alain Berset. Sie versucht schon zum zweiten Mal, Bundesrätin zu werden, hat jetzt aber deutlich bessere Chancen, aufs Ticket zu kommen. Weil es sich die SP nicht leisten kann, keine Frau zu nominieren. Damit ist Allemann so etwas wie ein Magenschoner, ohne den es in einem Rennen mit so vielen Medis, äh Kandidaten, einfach nicht geht.
Anwendungsgebiet und Wirkungsweise: Als Teamplayerin wirkt Allemann lieber im Hintergrund statt auf der grossen Bühne. Ihr Anspruch ist, gemeinsam mit allen Beteiligten die beste Lösung für ein Problem zu finden. Sie stellt sicher, dass andere Medikamente ihre volle Wirkung entfalten, ohne allzu viel Schaden anzurichten. Das bekommt auch bürgerlichen Mägen.
Risiken und Nebenwirkungen: Allemann sass lange im Nationalrat. Seit 2018 entfaltet sie ihre Wirkung aber in der Berner Kantonsregierung. Im Bundeshaus, wo sie jetzt wieder zum Einsatz kommen will, ist ihr Name darum leicht verblasst. Das ist das Handicap dieser Art Medikamente: Sie sind wichtig, aber wenig bekannt.
Daniel Jositsch (58)
Die Wirkung ist stark, doch die Nebenwirkungen können ebenfalls heftig ausfallen: Daniel Jositsch erinnert an ein Antibiotikum. Der Zürcher ist mit seiner Kandidatur vorgeprescht. Und das, nachdem er schon vergangenes Jahr Bundesrat werden wollte – und damals insbesondere bei den Frauen in der Fraktion heftige Abwehrreaktionen auslöste.
Anwendungsgebiet und Wirkung: Auch wenn der Zürcher Ständerat nicht wirklich Führungserfahrung vorweisen kann, traut man ihm das Amt als Bundesrat zu. Als Rechtsprofessor bringt er das juristische Knowhow für den Job mit, zudem ist er – als angenehmer Nebeneffekt – in der Bevölkerung sehr beliebt. Sein politisches Profil am rechten Rand der SP macht ihn für die Bürgerlichen zum bevorzugten Medikament.
Risiken und Nebenwirkungen: Insbesondere im eigenen Lager bestehen Unverträglichkeiten gegen Jositsch, was seine Chancen auf einen Platz auf dem SP-Ticket schmälert. Schlecht kommt an, dass er seine Interessen manchmal über jene der Partei stellt. Das macht ihn zu einem gewissen Grad unberechenbar. Eine Eigenschaft, die bei potenziellen Bundesräten wie auch bei Medikamenten nicht gern gesehen ist. Sollte er es aber in die Endauswahl schaffen, ist eine Wahl wahrscheinlich.
Jon Pult (39)
Das Naturheilmittel aus dem Bündnerland ist mit 39 Jahren für Polit-Verhältnisse noch in der Phase der klinischen Studie. Pult spricht – und träumt – in drei Sprachen, ist schweiz-italienischer Doppelbürger und möchte auch bei einer Wahl seine zwei Pässe behalten.
Anwendungsgebiet und Wirkung: Pult würde den Bundesrat deutlich verjüngen. Gerade bei den jungen SPlern kommt das gut an. Zwar politisiert er erst seit vier Jahren in Bern, ist aber bereits Präsident der Verkehrskommission. Er gilt als vielversprechend, andere weisen daraufhin, dass seine Wirkung noch nicht ausreichend bewiesen sei.
Risiken und Nebenwirkungen: Das könnte auch zum Nachteil werden. Zwar wäre er bei einer Wahl gleich alt wie Bundesrat Alain Berset (51) damals war, aber er hat deutlich weniger Erfahrung. Die schwerste Nebenwirkung ist aber seine Herkunft. Während die Pharmastadt Basel seit über 50 Jahren auf einen Bundesratssitz wartet, sind die Landkräuter im Bundesrat schon genug vertreten.