Das Covid-Zertifikat ist der SVP ein Dorn im Auge: Es schaffe eine Zweiklassengesellschaft und führe faktisch zu einem Impf-Zwang. Als einzige Partei hat sie für die Abstimmung vom 28. November die Nein-Parole beschlossen. Das aber reicht der Volkspartei noch lange nicht. Sie möchte sämtliche Einschränkungen weghaben – am liebsten sofort.
Das jedoch würde selbst bei einem Volks-Nein zum Covid-Gesetz nicht passieren. Denn auch dann kann der Bundesrat weiterhin im Alleingang Läden und Restaurants schliessen, Veranstaltungen verbieten oder eine Maskenpflicht beschliessen. Und eigentlich sind es genau jene Massnahmen, die vielen Gegnern ein Ärgernis sind.
Dem Bundesrat auf die Finger schauen
Doch diese Massnahmen sind nicht im Covid-Gesetz geregelt. Sie stützen sich auf das Epidemiengesetz. Und dieses hat die Stimmbevölkerung bereits im Jahr 2013 mit einem Ja-Anteil von 60 Prozent angenommen.
Das weiss auch die SVP. Deshalb will sie – das aus ihrer Sicht – Übel an der Wurzel packen und startet nun auch einen Angriff auf das Epidemiengesetz. Mit einer Motion will die Partei die Macht des Bundesrats in ausserordentlichen Lagen beschneiden.
Sie will dafür ein parlamentarisches Gremium einrichten. Dieses soll die Massnahmen der Regierung nicht nur kritisch begleiten, sondern die Beschlüsse auch gutheissen müssen, fordert Nationalrat Thomas Burgherr (59). Ausserdem sei die gesamte Bundesversammlung «in nützlicher Frist» einzubeziehen.
Nötige Flexibilität wäre dahin
Die Krux an der Sache: Mit einem zusätzlichen Kontrollorgan, das dem Bundesrat auf die Finger schaut, wäre der eigentliche Zweck des Epidemiengesetzes nicht mehr gegeben. Die Schweiz könnte nicht mehr gleich rasch und flexibel auf ähnlich bedrohliche Situationen wie die Corona-Krise reagieren – sei es bei einer drohenden Überlastung der Spitäler, sei es mit raschen und unbürokratischen Wirtschaftshilfen.
Die SVP aber gewichtet die Gewaltenteilung stärker. Das Parlament solle «seine Aufgabe und Pflicht als oberste Gewalt im Bund auch in Krisenzeiten und unter Notrecht wahrnehmen». Es dürfe sich in solchen Notsituationen nicht aus der Verantwortung nehmen, betont Burgherr. Oder anders: Der Bundesrat soll nicht mehr schalten und walten können, wie er will.
Ironie an der Sache: Es war ausgerechnet die SVP gewesen, die wegen der Corona-Pandemie im Frühling 2020 den Abbruch der Session angestrengt hatte. (dba)