Die Corona-Krise lässt sich nicht per Volksabstimmung beenden. Einige der von Bundesrat und Parlament beschlossenen Corona-Bestimmungen allerdings schon. Am 28. November stimmt die Schweiz zum zweiten Mal über das Covid-Gesetz ab, nachdem massnahmenkritische Kreise erneut das Referendum dagegen ergriffen haben.
Worum geht es bei der Abstimmung überhaupt? Und was steht bei einem Nein auf dem Spiel? Blick beantwortet die drängendsten Fragen.
Warum stimmen wir schon wieder über das Covid-Gesetz ab?
Das Covid-Gesetz ist ein spezielles Gesetz. Das Parlament hat es in der Krise sehr rasch beschlossen und seit Inkrafttreten im September 2020 mehrmals angepasst. Gegen jede Anpassung kann das Referendum ergriffen werden. Gegenstand der Abstimmung vom 13. Juni war die Ursprungsversion des Gesetzes. Am 28. November stimmen wir nun über die Änderungen vom 19. März 2021 ab.
Um welche Änderungen geht es genau?
Das Parlament hat das Covid-Gesetz in der Frühlingssession 2021 um zahlreiche Punkte ergänzt. Unter anderem wurde die gesetzliche Grundlage geschaffen für den Einsatz eines Covid-Zertifikats. Und zwar, indem dieser Satz ins Gesetz eingefügt wurde: «Der Bundesrat legt die Anforderungen an den Nachweis einer Covid-19-Impfung, einer Covid-19-Genesung oder eines Covid-19-Testergebnisses fest.»
Der grösste Teil der Änderungen betrifft aber finanzielle Unterstützungsmassnahmen für Personen und Unternehmen, die von der Corona-Krise stark getroffen wurden und bislang keine oder nur wenig staatliche Hilfe bekamen. Zum Beispiel:
- Ausweitung der Härtefallhilfe für Unternehmen, die wegen der Pandemie vorübergehend schliessen mussten oder starke Umsatzeinbrüche erlitten
- Lockerung der Kriterien, die erfüllt sein müssen, damit Selbstständige Erwerbsersatz erhalten
- Schutzschirm für Grossveranstaltungen
- Ausweitung der Kurzarbeitsentschädigung
- Finanzielle Unterstützung nicht nur für private, sondern auch öffentliche Kitas
- Hilfsgelder für freischaffende Künstlerinnen und Künstler
- Unterstützung von Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen
Zudem ist unter anderem ins Gesetz geschrieben worden, dass der Bund Covid-Tests fördert und deren Kosten übernehmen kann. Eine weitere Ergänzung hält fest, dass der Bund wichtige medizinische Güter nicht nur beschaffen, sondern auch herstellen lassen kann.
Hier finden Sie eine vollständige Übersicht über die Änderungen vom 19. März 2021.
Was würde bei einem Nein passieren?
Fällt das Covid-Gesetz durch, würden die Änderungen, die das Parlament im Frühling beschlossen hat, nicht per sofort aufgehoben. Sie würden erst am 19. März 2022 – genau ein Jahr nach Annahme – aus dem Gesetz gestrichen. Das sieht die Bundesverfassung so vor.
Ab dem 20. März würde es also unter anderem keine gesetzliche Grundlage mehr für das Covid-Zertifikat geben. Was heisst: Es dürften keine Zertifikate mehr ausgestellt und kontrolliert werden.
Bundesrat und Parlament könnten zwar ein neues Zertifikat aufgleisen, das nur im Ausland zum Einsatz kommt. Das würden die Gegner befürworten. Doch laut Gesundheitsminister Alain Berset (49) könnte man ein neues Gesetz dafür nicht im dringlichen, sondern nur im ordentlichen Verfahren verabschieden. «Es wäre damit ausgeschlossen, dass eine gesetzliche Grundlage schon 2022 bereitstehen würde», sagte der Bundesrat.
Betriebe könnten freiwillig entscheiden, nur Geimpfte, Genesene und Getestete hereinzulassen, sollte die Covid-Situation zu diesem Zeitpunkt noch immer bzw. wieder angespannt sein. Doch die Frage wäre, wie sie das überprüfen wollen. Denkbar wäre laut dem Innendepartement, dass private Anbieter ein Zertifikat bereitstellen. Das wäre gesetzlich erlaubt – aus Sicht des Bundes aber kaum praktikabel.
Was heisst das fürs Reisen?
Anders als im Inland dürfte das Covid-Zertifikat im grenzüberschreitenden Personenverkehr noch länger zum Einsatz kommen. Das Wegfallen des Schweizer Corona-Passes könnte für Reisende zu «erheblichen Problemen» führen, warnt das Innendepartement. Zwar würde es nicht bedeuten, dass man nicht mehr ins Ausland fahren oder fliegen kann. Je nach Land könnte man bei der Einreise auch einen Impf- oder Testnachweis vorlegen – so, wie dies heute schon bei Reisen in gewisse Staaten erforderlich ist. Das Reisen würde aber komplizierter.
Zudem könnte es je nach Land und dort geltenden Massnahmen beispielsweise nicht möglich sein, ein Restaurant oder ein Konzert zu besuchen. Auch für den hiesigen Tourismus hätte der Wegfall des Zertifikats verheerende Folgen, sagte Wirtschaftsminister Guy Parmelin (61).
Und welche Konsequenzen hätte ein Nein sonst noch?
Abgesehen vom Zertifikat hätte die Ablehnung kaum erhebliche Konsequenzen. Ein Grossteil der im Frühling beschlossenen Änderungen am Covid-Gesetz laufen sowieso Ende Jahr aus – sofern das Parlament keine Verlängerung beschliesst, weil sich die Covid-Situation wieder verschärft.
Eine Ausnahme ist der Schutzschirm für Grossveranstaltungen. Die Bestimmung ist aber bis April 2022 befristet. Wenn das Parlament nicht noch eine Verlängerung beschliesst, wäre damit also sowieso nächsten Frühling Schluss.
Auch die zusätzlichen Taggelder für Arbeitslose oder die Möglichkeit, die Bezugsdauer der Kurzarbeitsentschädigung zu verlängern, würden wegfallen, warnt der Bundesrat. Ausserdem könnte der Bund keine Förderprogramme mehr zur Entwicklung von Covid-Medikamenten oder anderer medizinischer Güter mehr starten.
Wer steht hinter dem Referendum?
Gegen das Covid-Gesetz machen dieselben Kräfte mobil wie beim ersten Referendum. Federführend sind die «Freunde der Verfassung», eine Organisation, die im Laufe der Pandemie gegründet worden war. Das Covid-Gesetz sei unnötig und extrem, finden sie. Die Corona-Massnahmen stellen aus ihrer Sicht eine Diskriminierung der Ungeimpften dar und führten in Kombination mit der Zertifikatspflicht zu einem indirekten Impfzwang.
Was ist die Position der Parteien?
Im Parlament sind die Änderungen am Covid-Gesetz, die nun zur Debatte stehen, von einer überwältigenden Mehrheit angenommen worden. Der Nationalrat sagte mit 169 zu 13 Stimmen bei 13 Enthaltungen Ja. Im Ständerat wurden die Änderungen sogar einstimmig verabschiedet. Das Zertifikat war in der ganzen parlamentarischen Diskussion damals kein Thema.
Die SVP hat allerdings im Verlauf der vergangenen Monate ihre Meinung geändert und stellt sich nun als einzige Partei gegen das Covid-Gesetz.