«Die Politik kommt aus den Löchern, wenn Blut fliesst»
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Ex-Geheimdienst-Chef Regli:«Die Politik kommt aus den Löchern, wenn Blut fliesst»

Aktuelle Terrorsituation in der Schweiz
Mehr als 1400 Beamte, um Gefährder lückenlos zu überwachen

Knapp 60 Gefährderinnen und Gefährder hat der Bund auf dem Schirm. Sie zu überwachen, ist extrem aufwendig. Zudem steigt die Zahl der Dschihadisten im Internet. Zumindest aber nimmt die Zahl der Dschihad-Reisenden nicht mehr zu.
Publiziert: 25.11.2020 um 18:24 Uhr
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Aktualisiert: 06.04.2021 um 10:21 Uhr
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Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) verfolgt die Terrorismussituation genau.
Foto: Keystone
Pascal Tischhauser

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) publiziert halbjährlich die Zahlen zur Terrorismusbedrohung in der Schweiz. Die letzten stammen vom Mai 2020, aktuellere Zahlen werden in den nächsten Tagen erwartet.

Laut dem NDB sind derzeit 57 Risikopersonen im Fokus der Sicherheitsbehörden. Unter Risikopersonen versteht der Nachrichtendienst Leute, die heute ein erhöhtes Risiko für die Schweiz darstellen. Das können sowohl Dschihadisten wie auch Leute sein, die andere Formen des Terrorismus unterstützen.

20 bis 25 Beamte für jeden

Diese zu kontrollieren, ist sehr aufwendig. Wie der frühere Chef des Nachrichtendienstes, Peter Regli (76), auf Blick TV ausführte, benötigen die Sicherheitskräfte 20 bis 25 Beamte, um einen einzigen Gefährder rund um die Uhr überwachen zu können. Auf die fast 60 Risikopersonen hochgerechnet macht das mehr als 1400 Sicherheitsbeamte.

Und noch immer hat man nicht alle erfasst: Das Dschihad-Monitoring zeigt, dass über 600 Personen einschlägige Internetplattformen und die sozialen Medien nutzen, um dschihadistisches Gedankengut zu verbreiten oder sich mit Gleichgesinnten im In- und Ausland zu vernetzen. Waren es vor einem Jahr noch 640 Leute, die dem Bund in diesem Zusammenhang auffielen, waren es vor einem halben Jahr schon 670 Personen.

Präventive Ansprachen

Der NDB spricht verschiedene dieser Leute präventiv an und überprüft bei ausländischen Betroffenen, ob das Aufenthaltsrecht für die Schweiz widerrufen werden kann. Bei Verdacht auf strafbare Handlungen übergebe man die Fälle an die Strafverfolgungsbehörden, so der Nachrichtendienst.

Im Gegensatz zu den Personen, die im Rahmen des Dschihad-Monitorings auf dem Radar der Sicherheitsbehörden sind, stagniert die Zahl der Dschihad-Reisenden seit Februar 2019 bei 92. In enger Abstimmung mit den Behörden der Bundesanwaltschaft, dem Justizdepartement, dem Staatssekretariat für Migration, dem Grenzwachtkorps sowie den Kantonen verfolgen das Bundesamt für Polizei und der Nachrichtendienst die Dschihad-Reisenden genau.

Zwölf Mütter mit sieben Kindern

Von den erfassten knapp 100 Personen haben sich 77 nach Syrien und in den Irak sowie 14 nach Somalia, Afghanistan und Pakistan begeben. Eine Person reiste auf die Philippinen. In den verschiedenen Konflikten in diesen Staaten ist ein Teil von ihnen ums Leben gekommen. 16 Personen sind in die Schweiz zurückgekehrt.

Von den insgesamt 92 Dschihad-Reisenden haben 30 Personen einen Schweizer Pass. Nur ein Dutzend von ihnen sind Frauen. Der NDB geht davon aus, dass sich derzeit sieben Kinder, die zumindest einen Elternteil mit Schweizer Bürgerrecht haben, in einem Konfliktgebiet befinden. Der Bundesrat will die Kinder aber nicht samt ihren Müttern zurückholen.

Schutz der Bevölkerung gelang nicht

Sowohl beim ersten Anschlag mit offensichtlich terroristischem Hintergrund Mitte September in Morges VD wie jetzt auch in Lugano waren die Täter bzw. die Täterin den Behörden bekannt. Dennoch gelang es nicht, die Bevölkerung vor diesen Gefährdern zu schützen. Die beiden Fälle deuten darauf hin, dass die heutigen Instrumente und Regeln nicht ausreichen.

Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie, doch das Parlament hat eben ein neues Anti-Terrorgesetz verabschiedet – gegen das es allerdings grossen Widerstand gibt. Dank dem Gesetz soll effektiver gegen Gefährder vorgegangen werden können. Potenzielle Attentäter sollen beispielsweise mit einer Fussfessel überwacht werden können. Verschiedene Rechtsgelehrte äussern aber Bedenken, ob die Schweiz mit den Präventivmassnahmen auch gegen Jugendliche nicht gegen die Menschenrechtskonvention verstossen würde.


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