Die elsässische Psychiaterin Martine Wonner (59), die von französischsprachigen Verschwörungstheoretikern gefeiert wird, praktiziert seit Februar in der berühmten Klinik Le Noirmont im Kanton Jura.
Warum diese Personalie zu reden gibt? Am 25. November 2022 wurde die Ärztin in Frankreich von der Ärztekammer für die Dauer eines Jahres suspendiert. Grund dafür waren umstrittene Äusserungen während der Covid-Pandemie.
Die französische Ärztekammer und die Ärztevereinigung «No FakeMed» hatten in der Nationalversammlung Klage gegen Wonner eingereicht, wie der Fernsehsender France 3 berichtete. Sie warfen der Ärztin vor, auf ihrem Twitter-Account falsche Informationen zu verbreiten und «wissenschaftlich unbegründete» Behandlungen gegen Covid beworben zu haben. Das betraf offenbar das gegen Corona wirkungslose Medikament Hydroxychloroquin.
Zudem hatte Wonner gemäss «Le Monde» Hygienemasken als unnütz und die Covid-Impfungen, «die niemanden schützen», angeprangert.
Aus Partei ausgeschlossen
Wonner war auch in der Politik aktiv. 2017 wurde sie für La République en marche – der Partei von Präsident Emmanuel Macron (45) – gewählt. 2020 wurde sie aber aus der Parlamentsfraktion ausgeschlossen.
Ihre Verteidigung hatte stets betont, dass sie sich immer als Abgeordnete und nicht als Ärztin geäussert habe. Seit ihrer Wahl 2017 sei sie auch nicht mehr in diesem Beruf tätig, so «Le Monde».
Die Redaktion von France 3 stellt hingegen fest, dass sie erst aufhörte, als ein Gesetz ungeimpften Ärzten und ungeimpftem Pflegepersonal die Arbeit untersagte. Seit Mai 2023 ist diese Regelung in Frankreich wieder aufgehoben.
Ihre «langjährige Erfahrung» wird gelobt
Warum praktiziert eine in Frankreich suspendierte Medizinerin in einer jurassischen Einrichtung? Und darf sie in Frankreich noch immer nicht als Ärztin arbeiten?
Alle Ärzte, die in der Klinik angestellt seien, einschliesslich der französischen Ärzte, müssen gesetzliche und berufliche Anforderungen erfüllen, heisst es bei der jurassischen Institution auf Anfrage von Blick.
Auf die Personalie angesprochen, meldet sich Arian Kovacic (40), der Direktor der Klinik, per E-Mail an Blick. «Es ist wichtig, zu verstehen [...], dass Dr. Wonner keine medizinische Verantwortung in der Klinik hat, da sie keine Chefärztin ist.» Auch seien ihre Diplome in der Schweiz anerkannt.
Der Direktor lobt ausserdem die «langjährige Erfahrung», die «Motivation» und die «Ideen für die Entwicklung unserer psychosomatischen Abteilung» seiner Mitarbeiterin.
Was ist mit Martine Wonners umstrittenen Aussagen? «Die Direktion hat sie darauf hingewiesen, dass diese Themen in unserer Klinik keinen Platz haben.» Man habe aber Wonners Wunsch nach einem Schlussstrich verstanden. «Sie ist heute nicht mehr in der Politik tätig und möchte sich auch nicht mehr zu diesem Thema äussern», so der Direktor.
Ein kurzer Blick auf Martine Wonners Twitter-Konto beweist jedoch das Gegenteil. Mitte August äusserte sie sich noch immer zu Corona.
Wonner sei auch seit Mai 2023 nicht mehr suspendiert, beteuert der jurassische Klinikdirektor. Denn zu diesem Zeitpunkt seien alle ungeimpften Gesundheitsfachkräfte in Frankreich wieder in den Dienst aufgenommen wurden, heisst es bei der Klinik.
Doch liegt hier nicht eine Verwechslung zwischen der Aufhebung des Gesetzes vom 5. August 2021 und der Suspendierung vor, die speziell gegen Martine Wonner ausgesprochen wurde?
«Wir waren der Meinung, dass diese Suspendierung in Frankreich wegen ihrer politischen Ansichten und nicht wegen ihrer medizinischen Kompetenzen keine Auswirkungen auf ihr Leben als Ärztin in der Schweiz haben sollte», erklärt Arian Kovacic weiter. «Wäre sie wegen eines medizinischen Fehlers suspendiert worden, wäre die Situation anders gewesen.»
Der Kantonsarzt kann nicht eingreifen
Was sagt der kantonsärztliche Dienst zu dieser Geschichte? In einer E-Mail an Blick schreibt dieser: «Rechtlich gesehen ist die Anstellung der betreffenden Ärztin kein Problem. Da Martine Wonner unter der Verantwortung eines Chefarztes arbeitet, benötigt sie keine staatliche Zulassung.»
Hätte sie eine Praxisbewilligung erfordert, wäre eine Untersuchung durchgeführt worden, heisst es beim Dienst. «Dabei wären die französischen Gesundheitsbehörden und die Ärztekammer angefragt worden, um dem Kantonsarzt eine Entscheidung zu ermöglichen.» Der Staat könne jetzt jedoch nicht eingreifen, wenn keine Berufsausübungsbewilligung erforderlich sei oder keine Klage vorliege. «In diesem Fall gibt es keine», teilt ein Sprecher weiter mit.
Martine Wonner wurde von Blick kontaktiert und antwortete bislang nicht auf die Anfragen.