Prämien sind nur ein Teil der Gesundheitskosten
Schweizer zahlen 2200 Fr aus eigenem Sack

Die Belastung der Haushalte durch Gesundheitskosten ist rekordhoch, zeigt eine Analyse. Und dabei spielen nicht nur die Krankenkassenprämien eine Rolle.
Publiziert: 30.08.2023 um 00:06 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2023 um 06:36 Uhr
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Die Krankenkassenprämien steigen und steigen.
Foto: Keystone
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Sophie ReinhardtRedaktorin Politik

Die Prämien der Krankenversicherung sind horrend hoch und steigen weiter an: Aufs nächste Jahr wird ein erneuter Hammer erwartet: Um sechs bis zehn Prozent werden die Prämien wohl steigen. Damit dürfte eine vierköpfige Familie mit Kindern im Teenageralter im kommenden Jahr rund 15'000 Franken an die Krankenkasse überweisen, nochmals 2000 Franken mehr als im vergangenen Jahr.

Doch nicht nur die monatliche Rechnung der Krankenkasse wird immer teurer. Was oft vergessen geht: Schweizerinnen und Schweizer zahlen neben den Prämien noch mehr für ihre Gesundheit – Medikamente aus der Apotheke, Franchise und Selbstbehalt sowie Zahnbehandlungen. 

So kommen zu den mittleren Prämienausgaben von etwa 5000 Franken pro Jahr und erwachsener Versicherter noch Selbstzahlungen von insgesamt 2200 Franken obendrauf. Das zeigt eine neue Analyse des Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB). Das heisst: Die Gesamtrechnung für die Gesundheit erhöht sich nochmals um über 40 Prozent!

Mehr hohe Franchisen

Und: Wie die Prämien sind in den vergangenen Jahren auch diese direkten Kostenbeteiligungen stark angestiegen. Im Jahr 2005 betrugen sie pro versicherte Person 507 Franken, heute sind es bereits 706 Franken.

Warum stiegen diese zusätzlichen Ausgaben so an? «Im selben Zeitraum hat die effektiv von den Versicherten gewählte Franchise doppelt so stark zugenommen», sagt Zentralsekretär Reto Wyss (37). Dadurch lässt sich am ehesten bei den Prämien sparen. Gemäss Wyss beträgt die durchschnittlich gewählte Franchise 1201 Franken. Dadurch müssen mehr Behandlungskosten oft aus dem eigenen Portemonnaie bezahlt werden.

«Prämien sind nicht mehr tragbar»

Die hohen Prämien belasten die Schweizer Bevölkerung. Doch das ist nicht alles: Niemand in Europa zahlt für seine Gesundheit so viel aus dem eigenen Sack obendrauf – «out of pocket», wie man das nennt.

Und beides hat einen Zusammenhang. Immer mehr Versicherte greifen zur höchsten Franchise von 2500 Franken – sie haben dadurch zwar tiefere Prämien, müssen aber mehr selbst bezahlen. Für den Krankenkassenverband Santésuisse ist klar: «Der Trend zu höheren Franchisen ist ein Indiz dafür, dass die Prämien für immer mehr Versicherte langsam nicht mehr tragbar sind», sagt Sprecher Matthias Müller.

Bei den Kosten ansetzen

Das bedeute vor allem, dass man endlich wirksam bei den Kosten ansetzen müsse. «Konkret: Falsche Anreize bei den Arzttarifen müssen durch die Einführung von pauschalen Vergütungen reduziert, Medikamentenpreise und Labortarife deutlich gesenkt werden. Das wäre alles ohne Qualitätsverlust möglich.»

Einen anderen Weg schlägt die FDP vor. Sie fordert eine Budget-Krankenkasse, bei der man auf bestimmte Leistungen verzichten soll und dafür weniger Prämien zahlt. Auch will sie die Maximalfranchise von 2500 auf 3500 Franken erhöhen. Wer dieses Modell wählt, soll ebenfalls mit einem Prämienrabatt belohnt werden.

Nur geringer Effekt

Der Kostenspar-Effekt für das System ist allerdings begrenzt, wie der Bundesrat schon vor fünf Jahren schätzte: Hätten alle Versicherten mit 2500-Franken-Franchise zu dieser neuen Höchstfranchise gewechselt, wären die Nettokosten der Erwachsenen um ein Prozent gesunken. Und: Ein Teil der Einsparungen würde sich einfach auf Out-of-Pocket-Zahlungen verlagern.

Die hohen Prämien belasten die Schweizer Bevölkerung. Doch das ist nicht alles: Niemand in Europa zahlt für seine Gesundheit so viel aus dem eigenen Sack obendrauf – «out of pocket», wie man das nennt.

Und beides hat einen Zusammenhang. Immer mehr Versicherte greifen zur höchsten Franchise von 2500 Franken – sie haben dadurch zwar tiefere Prämien, müssen aber mehr selbst bezahlen. Für den Krankenkassenverband Santésuisse ist klar: «Der Trend zu höheren Franchisen ist ein Indiz dafür, dass die Prämien für immer mehr Versicherte langsam nicht mehr tragbar sind», sagt Sprecher Matthias Müller.

Bei den Kosten ansetzen

Das bedeute vor allem, dass man endlich wirksam bei den Kosten ansetzen müsse. «Konkret: Falsche Anreize bei den Arzttarifen müssen durch die Einführung von pauschalen Vergütungen reduziert, Medikamentenpreise und Labortarife deutlich gesenkt werden. Das wäre alles ohne Qualitätsverlust möglich.»

Einen anderen Weg schlägt die FDP vor. Sie fordert eine Budget-Krankenkasse, bei der man auf bestimmte Leistungen verzichten soll und dafür weniger Prämien zahlt. Auch will sie die Maximalfranchise von 2500 auf 3500 Franken erhöhen. Wer dieses Modell wählt, soll ebenfalls mit einem Prämienrabatt belohnt werden.

Nur geringer Effekt

Der Kostenspar-Effekt für das System ist allerdings begrenzt, wie der Bundesrat schon vor fünf Jahren schätzte: Hätten alle Versicherten mit 2500-Franken-Franchise zu dieser neuen Höchstfranchise gewechselt, wären die Nettokosten der Erwachsenen um ein Prozent gesunken. Und: Ein Teil der Einsparungen würde sich einfach auf Out-of-Pocket-Zahlungen verlagern.

In der Tat zeigen Zahlen des Bundes, dass die Anzahl Versicherter, die die Höchstfranchise von 2500 Franken gewählt haben, gestiegen ist: Waren es 2018 rund 1,9 Millionen, stieg ihre Zahl im vergangenen Jahr auf fast 2,5 Milllionen. Die Minimalfranchise von 300 Franken haben in diesem Zeitraum etwa 300'000 Menschen mehr gewählt. Die Franchisen von 500, 1000, 1500 und 2000 Franken verloren an Attraktivität.

Europäische Spitze und Zweiklassenmedizin

Im internationalen Vergleich steht die Schweiz mit Selbstzahlungen an der Spitze: Hierzulande bezahlen die Haushalte durchschnittlich 5,3 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für Gesundheitsausgaben direkt aus der eigenen Tasche. Im EU-Raum sind es zwei Prozentpunkte weniger. Mit ein Grund für die Spitzenposition dürfte sein, dass Schweizerinnen und Schweizer die Zahnarztrechnung selber zahlen müssen – pro Person macht das Kosten von fast 450 Franken im Jahr. In vielen anderen Ländern ist das in der Krankenversicherung drin.

In der Folge könnte das zu einer Zweiklassenmedizin führen, warnt der SGB. Denn wegen der hohen Franchise könnten mehr Menschen auf den Arztbesuch verzichten. «Das ist keine Schreckensvision, sondern längst Schweizer Alltag», sagt Wyss mit Blick auf eine Sotomo-Umfrage. Dort gaben fast 20 Prozent der Befragten an, im letzten Jahr aus finanziellen Gründen auf einen Besuch bei der Ärztin verzichtet zu haben.

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