Natalie Rickli (46, SVP), Zürcher Gesundheitsdirektorin, forderte in der «SonntagsZeitung» ein radikales Umdenken, um die Kostenspirale bei den Krankenkassenprämien zu brechen. «Heute gehe ich so weit, zu sagen: Dieses System mit der obligatorischen Grundversicherung, der jährlich sich anpassenden Kostendeckung durch angepasste Prämien und der mit Steuergeldern finanzierten individuellen Prämienverbilligung ist aus finanzieller Sicht gescheitert.»
Statt mit lauter kleinen Reformen am bestehenden System weiter herumzuflicken, brauche es einen Marschhalt und eine Grundsatzdiskussion: «Meiner Meinung nach sollte sogar eine Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung in Betracht gezogen werden», sagte die SVP-Politikerin.
«Das ist ein Spiel mit dem Feuer»
Dieser brisante Vorschlag gibt zu reden: «Das ist ein Spiel mit dem Feuer», sagt Mitte-Nationalrat Christian Lohr (61) über Ricklis Idee. Man brauche ein solidarisches Kassen-System in der Schweiz: «Krankheiten oder Unfälle lassen sich nicht einfach wegsparen», sagt er zu Blick. Auch seine Partei findet, es brauche Anpassungen, die Mitte setzt dabei aber auf die Kostenbremse-Initiative.
FDP-Gesundheitspolitiker Marcel Dobler (42) glaubt keineswegs, dass Rickli ein System wie jenes in den USA wolle, in dem Menschen, die sich die Krankenkasse nicht leisten können, keine Behandlung mehr erhalten. «Ihr Ziel als Zürcher Gesundheitsdirektorin wird es nicht sein, dass Leute keine Versorgung mehr haben», so Dobler zu Blick.
Er unterstütze Rickli aber «voll und ganz» im Anliegen, dass man das hiesige Gesundheitssystem überdenken müsse. Seine Partei habe dafür bereits ein Instrument, nämlich unter anderem die Schaffung eines «Budget»-Versicherungsmodells als Alternative zur obligatorischen Grundversicherung, sagt Dobler.
Wer sich für dieses günstige Modell entscheide, nimmt freiwillig Abstriche in Kauf. Existiert ein Generikum, habe man keinen Anspruch auf das teurere Originalpräparat. Auch das elektronische Patientendossier soll bei der «Budget»-Krankenkasse obligatorisch sein und Alternativmedizin wie Homöopathie sollen nicht versichert sein.
SP befürchtet Zweiklassen-System
Bei der SP zeigt man sich erschrocken, ob der Forderung von Rickli. So sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (35) zu Blick: «Die Krankenkasse für alle ist eine Errungenschaft und darf keineswegs abgeschafft werden.»
Die Abschaffung führe nicht zu einer Entlastung des Mittelstandes – im Gegenteil: «Etwa bei einer Blinddarmerkrankung würde man schnell auf Rechnungen in der Höhe von Tausenden von Franken festsitzen – was wäre, wenn das jemand nicht zahlen kann?», fragt sie.
Meyer warnt deshalb vor einer Zweiklassenmedizin, denn bis in den Mittelstand würden lösbare medizinische Probleme innert Kürze zum Armutsrisiko. Auch sie hat andere Ideen, wie das Gesundheitssystem reformiert werden soll: «Man würde besser bei den Medikamentenpreisen die Regeln verschärfen, Lobbyisten im Bundeshaus den Riegel schieben und auf eine Einheitskrankenkasse setzen» so Meyer.