Alain Berset (51) räumt seinen Stuhl im Innendepartement per Ende Jahr. Das Departement dürfte begehrt sein: Einerseits bei seinem Nachfolger oder Nachfolgerin, aber auch bei den bisherigen Bundesräten.
Der Gestaltungsspielraum ist gross: Im Innendepartement ist nicht nur die Alters- und Gesundheitsversorgung sondern auch die Kultur, Lebensmittelsicherheit und sogar das Bundesamt für Meteorologie. Doch wer auch immer auf Berset folgt: Die Herausforderungen sind gross. Die Übersicht.
Die AHV stabilisieren
Im September 2022 stimmte das Volk wieder einer AHV-Reform zu – zum ersten Mal seit über 25 Jahren. Doch auch diese Reform ist nur ein Zwischenschritt. Die nächste Reformvorlage hat das Parlament auf Ende 2026 bestellt. Dazu kommen zwei AHV-Initiativen: Die Renteninitiative der Jungfreisinnigen will das Rentenalter auf 66 erhöhen und danach an die Lebenserwartung koppeln – und die Linken wollen eine 13. AHV-Rente.
Die 2. Säule retten
Das Referendum gegen die Pensionskassenreform steht, das verkündetet Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (55) kürzlich im Blick-Interview. Die Reform bringt unter anderem einen tieferen Umwandlungssatz für die Berechnung der Renten und für Angehörige von Übergangsjahrgängen eine Kompensation. Die Altersvorsorge muss die bevorstehende Pensionierung der Babyboomer-Jahrgänge und die wachsende Zahl von Rentnerinnen und Rentnern abfedern. Den von den Sozialpartnern ausgehandelten Kompromiss hat das Parlament allerdings in den bisherigen Beratungsrunden unterboten und sich damit das Referendum eingehandelt. Den Kompromiss muss Bersets Nachfolger vor dem Volk vertreten. Es wird die erste Bewährungsprobe, die Abstimmung findet im Frühjahr oder Sommer 2024 statt.
Gesundheitskosten dämpfen
2023 sind die Krankenkassenprämien für die Grundversicherung im Mittel um 6,6 Prozent gestiegen, und ein weiterer Anstieg wird für 2024 erwartet. Auch hier sind zwei Initiativen hängig: die Kostenbremse-Initiative der Mitte-Partei und die Prämienentlastungs-Initiative der SP, und zu beiden sind indirekte Gegenvorschläge in Arbeit.
Alain Berset
Pflegenotstand stoppen
In Spitälern und Heimen fehlen Tausende Pflegefachleute. Die Pflegeinitiative will der Bundesrat in zwei Etappen umsetzen. Die erste, mit einer voraussichtlich ab Mitte 2024 und über acht Jahre laufenden Ausbildungsoffensive und der Möglichkeit für Pflegende, gewisse Leistungen selbstständig abzurechnen, ist unter Dach und Fach. Doch weitere Elemente des neuen Verfassungsartikels will der Bundesrat in einem neuen Gesetz regeln, das aber nicht vor 2027 in Kraft treten kann. Dazu gehören bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege, die berufliche Weiterentwicklung und die bessere Abgeltung für Pflegeleistungen.
Ärztetarif erneuern
Seit Jahren ringen Versicherer, Spitäler und Ärzteschaft um einen neuen Ärztetarif als Ersatz für den veralteten Tarmed, mit dem Spitäler und Ärzte abrechnen. Die von der Ärzteverbindung FMH und dem Krankenkassenverband Curafutura vorgeschlagene Tarifstruktur Tardoc genehmigte der Bundesrat bisher nicht, trotz mehrerer Anläufe. Die Regierung pochte auf Verbesserungen bezüglich Kostenneutralität. Einige Kantone forderten Ende 2022 die Einführung von Tardoc, auch wenn dieser noch nicht ausgereift sei.
Corona überwachen
Berset sagte zu seinem Rücktritt, mit der gewonnen Covid-Abstimmung schliesse sich ein Kreis. Vorbei ist die Pandemie aber nicht: Überwacht werden muss die epidemiologische Lage weiterhin. Im Gegensatz zu den Tests, die seit Anfang 2023 nicht mehr vom Bund bezahlt werden, ist das Impfen gegen Covid-19 in der Schweiz nach wie vor gratis.
Gesundheitswesen digitalisieren
Die Pandemie brachte es an den Tag: Zu viel wird im Schweizer Gesundheitswesen noch analog erledigt statt auf digitalem Weg. Nur die wenigsten haben ein elektronisches Patientendossier. Mit Änderungen im Gesetz über das elektronische Patientendossier will der Bundesrat erreichen, dass nicht nur stationäre Spital- und Pflegebetriebe mit dem elektronischen Dossier arbeiten, sondern auch ambulant tätige Gesundheitsfachleute.
«Lex Netflix» umsetzen
Im Mai 2022 sagte das Stimmvolk Ja zur «Lex Netflix». Das Filmförderungsgesetz schreibt ab 2024 vor, dass Streamingplattformen wie beispielsweise Netflix vier Prozent ihres in der Schweiz erwirtschafteten Umsatzes ins hiesige Filmschaffen investieren müssen. Zudem müssen sie neu dreissig Prozent europäische Filme im Angebot führen. Der Bundesrat hat nun die Umsetzung dieser neuen Vorgaben zu regeln. Diese sollen ab Anfang 2024 gelten. (SDA/bro)