Auf einen Blick
- Christoph Blocher sorgte 1994 für Empörung bei einer Abstimmung im Nationalrat
- SVP-Mann stimmte für abwesende Kollegin, löste Debatte über Parlamentarier-Redlichkeit aus
- Nationalratspräsidentin verurteilte Blochers Verhalten offiziell scharf
Was ist damals passiert?
Es dürfte die wenigsten im Land interessiert haben, was da im März 1994 in Bern eingeführt wurde. Bis SVP-Vordenker Christoph Blocher (84) zum «Tastenspieler» wurde – und für Empörung sorgte.
Der Nationalrat bekam damals eine moderne Abstimmungsanlage. Statt jedes Mal aufzustehen, konnten die Parlamentarier nun einfach per Knopfdruck votieren. Die Technik war raffiniert und sogar ins alte Mobiliar integriert. Abgestimmt wurde über eine Tastatur im früheren Tintenfass. Gleichzeitig musste eine «Präsenztaste» gedrückt werden – aus Sicherheitsgründen.
Manipulation ausgeschlossen? Von wegen! Die Zürcher SVP-Nationalrätin Lisbeth Fehr (86) war während einer Debatte nicht im Saal. Als sie zurückkam, dürfte sie überrascht gewesen sein: Fehr hatte trotz Abwesenheit abgestimmt! Ihr Sitznachbar Blocher hatte das kurzerhand für sie erledigt. Ein harmloser Scherz, fand er zuerst selbst. Er habe doch gewusst, wie Fehr abstimmen wollte, also habe er ihr das abgenommen.
Wie hat Blick darüber berichtet?
Doch als die Presse den Vorfall beleuchtete, sahen das viele anders. «Blocher ging fremd», titelte der SonntagsBlick damals. «Ganz klar ein strafbares Delikt», bewertete SP-Nationalrat und Gerichtspräsident Alexander Tschäppät (1952–2018) in der Zeitung Blochers Griff in die falsche Taste. Der Vorfall sei «alles andere als ein Lausbubenstreich», fand auch FDP-Nationalrat Hans-Rudolf Früh (88). Ein Ex-Politiker aus dem Berner Jura reichte gegen Blocher gar Strafanzeige wegen Wahlfälschung ein.
Tatsächlich beantragte Bundesanwältin Carla Del Ponte (78) danach dem Parlament, Blochers parlamentarische Immunität aufzuheben. Der SVP-Nationalrat sprach unterdessen von einem Fehler («Es tut mir leid»), wies den Vorwurf der Wahlfälschung jedoch zurück.
Der Nationalrat war gegen die Aufhebung der Immunität – die vorberatende Kommission erachtete das Delikt als «rechtlich geringfügig». Eine «moralische Verurteilung» durchs Parlament habe mehr Gewicht, hiess es. Im Juni 1994 verurteilte Nationalratspräsidentin Gret Haller (77) Blochers Verhalten offiziell «scharf».
Was ist seither geschehen?
Juristisch blieb die Affäre zwar ohne Folgen. Immerhin wurde jedoch das Geschäftsreglement des Nationalrats verschärft. Blochers «Fehltritt» löste dennoch eine breite Debatte über die Redlichkeit von Parlamentariern aus. Nicht zuletzt, weil der SVP-Mann zu einer Kommissionssitzung in dieser Sache nonchalant zu spät erschienen war.
Das Parlament vergewisserte sich seiner Rolle und man war sich einig: Mit dem Stimmrecht ist nicht zu spassen!
Auch wenn der Fall nicht weltbewegend war: Bis heute wird neuen Nationalratsmitgliedern gerne von Blochers Tastendruck erzählt, auch um ihnen die Funktionsweise der Abstimmungsanlage zu erklären.
Die «NZZ» nannte Blocher später einen «Tastenspieler». Tatsächlich wird die zweite Taste auf den Pulten im Nationalratssaal heute inoffiziell «Blochertaste» genannt – nicht nur deshalb ist Christoph Blocher im Bundeshaus in bleibender Erinnerung.
Die neue Reihe «Blick zrugg» erzählt historische Momente der Schweiz seit der Gründung von Blick 1959 in neuer Form. Wir zeigen dir, was damals passiert ist und wie der Blick darüber berichtet hat. Gleichzeitig ordnen wir das Geschehnis ein und bilden ab, was sich seither getan hat.
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