Wieder einmal macht die SVP viel Wind und produziert dabei vor allem warme Luft. Im «Tages-Anzeiger» wirft SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (43) SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) vor, angesichts des drohenden Energiemangels ihre Arbeit als Energieministerin nicht zu machen. Es müsse endlich ein Stromgeneral eingesetzt werden. Sei sie dazu nicht bereit, «fordern wir, dass sie das Dossier niederlegt und es Bundesrat Ueli Maurer übergibt».
Die sechs Regierungskollegen sollen Sommaruga öffentlich blossstellen und in einem der derzeit entscheidendsten Dossiers das Vertrauen entziehen? Das wäre ein Affront! Aber gleichzeitig ein nur schwer vorstellbares Szenario.
Sommaruga will sicher nicht aufgeben
«Wir befinden uns in einer einmaligen Krise», sagt Aeschi zu Blick. Es drohten Stromlücken wie in einem Entwicklungsland. Und dennoch habe Sommaruga kaum konkrete Schritte dagegen unternommen. Wenn sie dazu weiterhin nicht bereit sei, müsse sie das Dossier an einen anderen Bundesrat übergeben. «In einer ausserordentlichen Lage braucht es ausserordentliche Massnahmen.»
Aeschi ist überzeugt: SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71) «würde diese Krise besser managen». Sommaruga sieht das anders. Sie habe keineswegs im Sinn, den Bettel hinzuschmeissen, heisst es aus ihrem Departement.
Forderung nicht mit Maurer abgesprochen
An die Abgabe des Energiedossiers scheint nicht einmal die SVP selbst zu glauben. Der Frage, ob die Partei die geforderte Rochade mit Maurer abgesprochen hat, weicht der Fraktionschef mehrfach aus und lässt sie bis zuletzt unbeantwortet.
Für Sommarugas SP ist der Angriff «reiner Populismus». Dabei habe die SVP einen grossen Anteil daran, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nur langsam erfolge, sagt SP-Fraktionschef Roger Nordmann (49). «Wegen ihrer Verbandelung mit den Öl-Konzernen sind wir beim Ausstieg aus den fossilen Brenn- und Treibstoffen heute noch nicht weiter.»
Auch Maurers Finanzdepartement bleibt zurückhaltend: Man habe das Interview zur Kenntnis genommen und äussere sich nicht weiter dazu, heisst es. Interesse an einer weiteren Herausforderung sieht anders aus. Die SVP-Forderung von Thomas Aeschi, der in der Armee den Rang eines Oberleutnants bekleidet, scheint nicht einmal mit dem eigenen Bundesrat abgesprochen zu sein. Das macht die Partei nicht glaubwürdiger.
SVP fordert Dossier-Entzug nicht zum ersten Mal
Ohnehin kommt es kaum vor, dass ein Bundesrat ein Dossier abgeben muss. 2009 war das der Fall. Der damalige Bundespräsident Hans-Rudolf Merz (79) musste das Libyen-Dossier an Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (77) abtreten. Nach der Verhaftung des Sohnes des damaligen Diktators Muammar al-Gaddafi (1942–2011) in Genf hatte Libyen zwei Schweizer als Geiseln genommen. Im Alleingang war Merz nach Libyen gereist und hatte sich öffentlich entschuldigt – er kehrte aber mit leeren Händen zurück.
Dass die SVP Bundesräten ein Dossier entziehen lassen will, ist dagegen nicht neu. 2004 wollte die Partei dem damaligen Verkehrsminister Moritz Leuenberger (75) das Luftfahrtdossier wegnehmen, weil er das Luftfahrtabkommen mit Deutschland nicht auf die Reihe kriege. SVP-Präsident war damals Ueli Maurer. Der Bundesrat aber sprach Leuenberger das volle Vertrauen aus. Darunter auch der damalige Justizminister Christoph Blocher (81).