Ferien im Angesicht des Blackouts? Eigentlich wäre Energieministerin Simonetta Sommaruga (62, SP) in diesen Tagen an die Adria gefahren, wie sie der «Schweizer Illustrierten» erzählte. Aber dafür sei die Lage zu ernst. «Sommaruga im Krisenmodus», titelte das Blatt.
Stimmt ja auch, im Winter droht die Stromlücke, und Russland kann jederzeit die Gaszufuhr nach Europa kappen. Besser also, die zuständige Bundesrätin bleibt an Deck.
Um die drohende Gasknappheit aufzufangen, fährt der Bund eine zweigleisige Strategie: Er will Verträge mit den Nachbarstaaten abschliessen und eigene Gasreserven aufbauen.
Immer noch kein Druchbruch beim Solidaritätsabkommen
Die Solidaritätsabkommen sollen verhindern, dass die Schweiz aussen vor bleibt, wenn Europa die Verteilung regelt. Sommaruga und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62, SVP) haben bereits im Mai am WEF in Davos GR beim deutschen Vizekanzler Robert Habeck (52) sondiert. Man gab sich optimistisch. Zwei Monate später lässt der Durchbruch aber noch immer auf sich warten. Die Arbeiten zu den Solidaritätsabkommen seien im Gang, schreibt Sommarugas Departement (Uvek) knapp. «Darüber hinaus können wir keine Angaben machen.»
Am Freitag aber berichteten die Zeitungen von CH Media, dass die Verhandlungen mit Berlin ins Stocken geraten seien. Zankapfel scheint die Streitbeilegung zu sein. Das weckt Erinnerungen an die quälenden Verhandlungen über das Rahmenabkommen.
Bundesrat hat Zielvorgabe klar definiert
Es passt, dass das Uvek die Bedeutung des Solidaritätsabkommens nun kleinredet. Solche Abmachungen kämen «erst im äussersten Notfall ins Spiel, nachdem bereits Kontingentierungsmassnahmen ergriffen worden sind», schreibt ein Sprecher. Der Austausch unter den europäischen Ländern sei zwar wichtig, «Gespräche und Abkommen stellen aber keine Garantie dar». Entscheidend sei auch, so das Uvek, dass die Gasbranche weiter ihrem Auftrag nachkomme und Speicherkapazitäten in den Nachbarländern und Optionen für zusätzliche Gaslieferungen sichere. Vertrauen unter befreundeten Staaten sieht anders aus. Stattdessen soll es die Branche richten. Die Zielvorgabe ist klar. Der Bundesrat hat die Gasversorger verpflichtet, in Gasspeichern der Nachbarländer eine Gasreserve im Umfang von 15 Prozent des jährlichen Schweizer Verbrauchs anzulegen. Weiter sollen Optionen für zusätzliche nicht russische Gaslieferungen in Höhe von rund 20 Prozent des Winterverbrauchs beschafft werden. Dafür, dass diese Versicherung entscheidend ist, gibt sich der Bund auffallend gelassen. Jedenfalls ist dem Uvek nicht bekannt, wie gross die Reserve ist, die sich die Schweiz im Ausland zwischenzeitlich gesichert hat: «Wir verfügen nicht über die gewünschten Angaben», so die Auskunft. Immerhin kann die Branche diese Frage beantworten.
Regionalgesellschaften sind «auf gutem Kurs»
Thomas Hegglin vom Verband der Schweizerischen Gasindustrie sagt: «Die Regionalgesellschaften haben die Zielsetzung beim Aufbau der Gasreserven in Gasspeichern aktuell zwischen 75 und 100 Prozent erreicht.»
Die Regionalgesellschaften seien «gut auf Kurs, um bis November die Optionen für zusätzliche nicht russische Gaslieferungen zu beschaffen». Das wird die Bundesrätin im Krisenmodus freuen.