In Deutschland explodieren die Gaspreise – und davon sind auch Schweizer Regionen betroffen. Stein am Rhein SH etwa wird seit Jahren durch die Stadtwerke Konstanz mit Gas versorgt. Auch einige Thurgauer Unterseegemeinden gehören diesem Verbund an und erhalten ihr Gas aus Deutschland, von B wie Berlingen bis W wie Wagenhausen.
Das war bisher kein Problem. Aber jetzt erhöhen die Deutschen den Gaspreis um das Doppelte bis Dreifache! Den betroffenen Schweizer Konsumenten drohen Mehrkosten von mehreren Tausend Franken. Und das für einen einzigen Winter!
Börsenpreis um 700 Prozent gestiegen
Die Schocknachricht traf vor wenigen Tagen per Brief auch bei Jakob Fehr (67) ein: Er wird ab dem 1. Oktober das Doppelte fürs Gas bezahlen müssen. «Es ist schon happig», sagt er zu Blick. «Als Eigenheimbesitzer rechnet man mit schwankenden Nebenkosten, aber nicht in diesem Ausmass!»
Der deutsche Gaslieferant zuckt mit den Schultern: Innert zwölf Monaten sei der Börsenpreis für eine Megawattstunde (MWh) Erdgas um über 700 Prozent gestiegen, so ein Sprecher der Stadtwerke Konstanz.
«Werden das Schlafzimmer nicht mehr heizen»
Am Bodensee droht im Winter also ein leeres Portemonnaie oder eine kalte Stube. Jakob Fehr und seine Ehefrau werden dicke Decken und warme Kleider bereitlegen. «Wir werden wahrscheinlich das Schlafzimmer und die Nebenräume nicht mehr heizen», sagt er.
Fehr holt zudem Offerten für den Einbau eines Holzofens ein, um die Heizperiode zu verkürzen. «Wenn wir erst im Oktober anfangen müssen, mit Gas zu heizen, und im März wieder aufhören können, sparen wir Geld.»
Leeres Portemonnaie oder kalte Stube
Auch Primarlehrer Anton Serebrjanskiy (29) muss ab Oktober im Monat 100 Franken mehr fürs Heizen seines 70-Quadratmeter-Haushalts zahlen. «Das ist eine Steigerung von 100 Prozent», rechnet er vor. «Wenn die Heizkosten noch mehr steigen, muss ich umdenken.» Auch er will vielleicht seinen Holzofen öfter benutzen.
Wie dem Lehrer und dem Ehepaar Fehr geht es vielen Eigenheimbesitzern in Stein am Rhein, wie eine Umfrage zeigt. Einige nehmen es gelassen und kalkulieren mehr Geld ein, andere sagen, sie würden halt das Haus auf weniger Grad heizen und öfter zum Pulli greifen.
Ist Stein am Rhein nur die Vorhut? Drohen uns allen gesalzene Gasrechnungen in den kommenden Monaten? Diese Frage beschäftigt nicht nur Hausbesitzer mit Gasheizung, sondern auch die Politik und die Energieunternehmen.
Beantworten kann sie derzeit aber niemand. «Auf den 1. August wird es keine Preiserhöhung geben», heisst es etwa vom Berner Energieversorger EWB. Dieser hatte letztmalig im Juni die Gaspreise um 1,64 Rappen pro Kilowattstunde angehoben.
«Kosten derzeit stabil»
Beim Luzerner Pendant EWL heisst es gar, dass dank einer vorausschauenden Beschaffungsstrategie, mit der der Gasbedarf für 2022 bereits gesichert sei, «bleiben die Energiekosten für ihre Kundinnen und Kunden derzeit stabil».
Weiter in die Zukunft zu schauen, wagt aber niemand. Insbesondere das Wetter werde über den Gaspreis bestimmen: Beginnt die Heizperiode früh und wird der Winter kalt, sind markante Preiserhöhungen wohl unausweichlich.
Warum zahlt Deutschland so viel mehr?
Bleibt die Frage, wie es sein kann, dass deutsche Gasversorger die Preise schon happig erhöhen, in der Schweiz noch alles abwartet? Auch hier will sich keiner der Angefragten auf die Äste hinauslassen. Der Verband der Gaslieferanten gibt zu bedenken, dass Deutschland fast ausschliesslich auf russisches Gas gesetzt habe, während die Schweiz das Gas auf verschiedenen europäischen Handelsplätzen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Italien kaufe.
Und bei EWL heisst es: «Falls gewisse Gaslieferanten in Deutschland andere Beschaffungsstrategien verfolgen und das Gas kurzfristiger beschaffen, kann dies deutliche Auswirkungen auf den Preis haben.» Sermîn Faki
Ist Stein am Rhein nur die Vorhut? Drohen uns allen gesalzene Gasrechnungen in den kommenden Monaten? Diese Frage beschäftigt nicht nur Hausbesitzer mit Gasheizung, sondern auch die Politik und die Energieunternehmen.
Beantworten kann sie derzeit aber niemand. «Auf den 1. August wird es keine Preiserhöhung geben», heisst es etwa vom Berner Energieversorger EWB. Dieser hatte letztmalig im Juni die Gaspreise um 1,64 Rappen pro Kilowattstunde angehoben.
«Kosten derzeit stabil»
Beim Luzerner Pendant EWL heisst es gar, dass dank einer vorausschauenden Beschaffungsstrategie, mit der der Gasbedarf für 2022 bereits gesichert sei, «bleiben die Energiekosten für ihre Kundinnen und Kunden derzeit stabil».
Weiter in die Zukunft zu schauen, wagt aber niemand. Insbesondere das Wetter werde über den Gaspreis bestimmen: Beginnt die Heizperiode früh und wird der Winter kalt, sind markante Preiserhöhungen wohl unausweichlich.
Warum zahlt Deutschland so viel mehr?
Bleibt die Frage, wie es sein kann, dass deutsche Gasversorger die Preise schon happig erhöhen, in der Schweiz noch alles abwartet? Auch hier will sich keiner der Angefragten auf die Äste hinauslassen. Der Verband der Gaslieferanten gibt zu bedenken, dass Deutschland fast ausschliesslich auf russisches Gas gesetzt habe, während die Schweiz das Gas auf verschiedenen europäischen Handelsplätzen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Italien kaufe.
Und bei EWL heisst es: «Falls gewisse Gaslieferanten in Deutschland andere Beschaffungsstrategien verfolgen und das Gas kurzfristiger beschaffen, kann dies deutliche Auswirkungen auf den Preis haben.» Sermîn Faki
Lokaler Anbieter liefert kein Gas
Etwas anderes bleibt ihnen auch gar nicht übrig. Ein Nachbar von Jakob Fehr aus dem gleichen Quartier hat beim Energieversorger SH Power, der der Stadt Schaffhausen gehört, angefragt, ob er das Gas dort beziehen könne. Die Antwort war ernüchternd: «Da ist nichts zu machen, es bestehen Verträge und Lizenzen mit den Konstanzer Stadtwerken. Ein Wechsel zu uns ist nicht möglich.»
Mehr zur drohenden Energiekrise
Corinne Ullmann, Stadtpräsidentin von Stein am Rhein, bestätigt, dass sie schon mehrere Anfragen nach Alternativen beim Gas erhalten habe. Doch die Gaswerke Konstanz seien aktuell die einzigen Energieversorger im Bereich Gas in der Stadt.
Der Grund dafür sei, dass der Gasmarkt in der Schweiz nicht liberalisiert sei, wie SH-Power-Sprecher Marco Nart gegenüber Blick bestätigt: «Grundsätzlich können heute nur Grossbezüger ihren Anbieter wechseln, dafür gibt es eine Branchenvereinbarung.» Um das auch kleineren Endkunden zu ermöglichen, brauche es erst ein Gasversorgungsgesetz. «Doch das ist noch nicht in Kraft.»
«Der Markt ist liberalisiert»
In der Tat liegt das Gesetz in den Berner Amtsstuben von Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) – und zwar sei zwei Jahren. Dennoch sagt Preisüberwacher Stefan Meierhans (53), als Blick ihm von der unlösbaren Situation in Schaffhausen und Thurgau erzählt: «Es gibt zwar noch offene Fragen, aber die sind auch ohne Gasgesetz lösbar. Denn: Grundsätzlich ist der Gasmarkt liberalisiert.» Heisst: Es soll allen Gaskunden erlaubt sein, Erdgas bei einem anderen Anbieter einzukaufen.
Das bestätigt auch Carole Söhner, Vizedirektorin der Wettbewerbskommission (Weko). «Der Gasmarkt ist seit 1963 liberalisiert», sagt sie. Allerdings habe die Gasbranche eine Verbändevereinbarung abgeschlossen, die die Freiheiten wieder einschränke – darunter zum Beispiel, dass nur Verbraucher ab einer gewissen Grösse ihren Anbieter frei wählen dürfen. «Nur ist diese Vereinbarung kartellrechtlich nicht verbindlich», sagt Söhner.
Betroffenen bleibt nur die Klage
2020 hat die Weko zwei Zentralschweizer Energieunternehmen zu einer Busse von 2,6 Millionen Franken verurteilt, weil sie sich auf die Branchenvereinbarung verlassen und einen kleineren Kunden ausgeschlossen hatten. Und wie Söhner sagt, könnte sich das wiederholen. Die Weko habe der Branche schon 2013 gesagt: «Wenn wir Anzeigen erhalten, werden wir allenfalls Verfahren eröffnen müssen.»
Die betroffenen Gaskunden in Schaffhausen und im Thurgau müssten also gegen die Weigerung von SH Power, sie zu beliefern, klagen. Der Ausgang der Klage ist ungewiss. Und sie würde sowieso nicht vor dem Winter entschieden.
Zudem gibt Marco Nart von SH Power zu bedenken, dass sich ein Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin nicht lohnen würde. «Denn der neue Anbieter muss dann wohl Gas zukaufen – und zwar zu den aktuellen Marktpreisen.» Gas würde also ebenfalls deutlich teurer. Nur ist das ein schwacher Trost für Jakob Fehr und Anton Serebrjanskiy.