Ade Speck, ade Schoggi
Sieht so unser Essen der Zukunft aus?

Pilze statt Speck, Baumnuss statt Rahm oder Artischocken statt Nüsslisalat: Die Umweltallianz hat untersucht, wie Schweizer Menüklassiker aussehen könnten, wenn der Klimawandel so weitergeht. Experten sind allerdings skeptisch.
Publiziert: 02.09.2019 um 09:07 Uhr
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Aktualisiert: 03.09.2019 um 15:35 Uhr
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So sieht Nüsslisalat mit Speck und Ei aus, wenn der Klimawandel so weitergeht, wie bisher.
Foto: PD
Tobias Bruggmann

Ob in der Alphütte oder zu Hause: Älplermagronen gehören für viele Schweizerinnen und Schweizer auf den Speiseplan. Doch vielleicht nicht mehr lange.

Wasserknappheit, steigende Temperaturen und Unwetter bedrohen unseren heutigen Speiseplan. Das behauptet jedenfalls die Umweltallianz Schweiz, ein Zusammenschluss der grössten Umweltorganisationen des Landes. Sie hat mit Wissenschaftlern analysiert, wie sich der Klimawandel auf den Menüklassiker Älplermagronen, Nüsslisalat und Schoggimousse auswirkt.

Fakt: Wir werden uns wohl mit anderen Lebensmitteln eindecken müssen. Was aber essen wir dann? Gestützt auf die Studie hat Sternekoch Markus Burkhard (36) ein alternatives Schweizer Menü der Zukunft gekocht. 

Artischocken statt Nüsslisalat

  • Der Nüsslisalat ist vor allem wegen der Wasserknappheit und den Temperaturextremen bedroht. Im Experiment ersetzt der Sternekoch den Salat mit Artischocken (1). Dank den steigenden Temperaturen lassen sich diese besser anbauen.
  • Weniger fruchtbares Land und Wassermangel machen die Fleischproduktion schwieriger. Der Speck wird durch den Zuchtpilz Shiitake (2) ersetzt. Aber Vegetarisch ist ja eh in.
  • Die Eier ersetzt Burkhard durch Seidentofu (3), weil die Sojaproduktion vom Klimawandel weniger betroffen ist. Dazu kommen Sonnenblumen-Blätter und Kerne (4)

Der Schweizer Bauernverband bestreitet, dass der Klimawandel eine direkte Auswirkung auf das Essen hat. «Es ist nicht so, dass das Wasser zu knapp für den Salatanbau ist», sagt Mediensprecherin Sandra Helfenstein (41). Der Klimawandel führe jedoch zu einem Wasserverteilungsproblem: «Bei heisseren Sommern müssen die Bauern mehr bewässern, das erhöht die Produktionskosten.» Für den Nüsslisalat ist die Hitze Gift: Im letzten Sommer verbrannte vielen Bauern ihre Ernte.

Hirse statt Älpermagronen

  • Teigwaren haben in den Älplermagronen keine Zukunft mehr. Weil die Weizenqualität sinkt, gibt es Probleme bei der Verarbeitung zu Brot und Teigwaren. Der Koch ersetzt sie durch Hirse (1) und Sojamehl.
  • Unsere einheimischen Kartoffeln werden von Schädlingen bedroht, dazu trocknen bei höheren Temperaturen die Böden schneller aus. Süsskartoffeln (2) übernehmen.
  • Tierische Produkte wie Rahm und Speck findet man nicht mehr auf dem Teller. Der Sternekoch tauscht den Speck mit Austernpilzen (3), statt Rahm gibt es eine Baumnuss-Sauce (4).

Tatsächlich experimentieren die Bauern bereits mit neuen Weizensorten. «Für die Tierfütterung bauen die Bauern vermehrt Hirsenarten oder Luzerne an, die mit der Trockenheit besser zurecht kommen», sagt Helfenstein. Dazu werden auch neue Getreidearten gezüchtet. Schon im 2018 fiel die Zwiebelernte sehr tief aus, die Nachfrage konnte nur durch Importe gedeckt werden.

Erdmandeln statt Schoggi

  • Weil Kakaopflanzen verletzlich und anfällig für Krankheiten sind, ist die Ernte bedroht. Erdmandeln (1) ersetzen die Süssspeise. 
  • Weil Schokolade (2) teurer wird, raffelt der Koch das Luxusgut nur noch hauchdünn über den Schaum.
  • Der Rahm wird durch Agar-Agar (3) ersetzt. Vegane Köche nutzen die pflanzliche Gelatine schon heute.

«Der Klimawandel beeinflusst auch den Kakaoanbau. Dabei stellen viele Faktoren wie Temperaturschwankungen oder Trockenheit Herausforderungen für die Kakaobauern dar», sagt Urs Furrer (46), Direktor von Chocosuisse. Der Klimawandel könne aber auch dazu führen, dass in Gebieten, wo bislang Kaffee angebaut wurde, neu Kakao angepflanzt werden kann.

Kein Bier mehr

  • Dürren und Hitzewellen bedrohen die Gerstenproduktion. Ähnlich wie beim Kakao könnte aber an wärmeren Orten neu Gerste angebaut werden. Doch das genügt nicht, um den globalen Rückgang auszugleichen. Somit wird weniger Bier gebraut. 

Für Marcel Kreber (49) vom Schweizer Brauereiverband sind die Folgen noch schwierig abzuschätzen. «Fakt ist aber, dass heisse Monate einen Einfluss auf das Wachstum und die Ernte der Rohstoffe haben können.» Kreber ist optimistisch, dass technologische Lösungen und Forschung die schlechteren Anbaubedingungen ausgleichen. Doch bereits Anfang des Jahres stieg der Bierpreis, weil die Rohstoffe teurer wurden. 

Technologie hat Grenzen

«Das Ganze basiert natürlich auf Modellrechnungen, aber wenn es wirklich zwei Grad wärmer wird bis 2050, dann sind solche drastischen Veränderung sehr wahrscheinlich», sagt Adrian Müller (47) vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), der die Studie durchgeführt hat. Hoffnung in Technologie und Innovation hat auch er. «Wir haben schon grosse Fortschritte in der Züchtung gemacht. Aber irgendwo hat es Grenzen.» 

Auch Müller sagt, dass seine Ergebnisse nicht bedeuten, dass nie mehr auf dem Teller landet, was wir heute tagtäglich essen. Viele Lebensmittel sterben nicht aus, werden aber teurer. «Die wohlhabende Schweiz wird vielleicht weniger darunter leiden, solange wir genug Geld haben, um auf dem Weltmarkt einkaufen zu können. Doch in anderen Ländern wird es kritisch.»

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