Auf einen Blick
- Im Parlament bahnt sich ein Kompromiss an, um den Eigenmietwert abzuschaffen
- Der Mieterverband scheint mit der geplanten Umsetzung leben zu können
- Die Bergkantone sehen den Systemwechsel dagegen kritisch – und debattieren kommende Woche darüber, wie sie auf die Pläne des Parlaments reagieren wollen
Der Eigenmietwert, 1934 als Krisenabgabe eingeführt, ist unbeliebt. Bisher sind aber alle Versuche gescheitert, den fiktiven Mietwert, den Wohneigentümer als Einkommen versteuern müssen, loszuwerden.
Eine Mehrheit der zuständigen Kantonsvertreter haben sich dazu durchgerungen, sich für einen «vollständigen Systemwechsel» auszusprechen – und damit dem Nationalrat entgegenzukommen. Zuvor hatte der Ständerat dafür plädiert, den Eigenmietwert für Zweitwohnungen beizubehalten, um Steuereinbussen für die Tourismuskantone zu vermeiden.
Auch bei der Frage des Schuldzinsenabzugs, ebenfalls umstritten, bahnt sich eine Kompromisslösung im Sinne des Nationalrats an. Der mächtige Hauseigentümerverband (HEV) ist mit dieser zwar nicht restlos glücklich, es ist aber kaum vorstellbar, dass er deswegen die ganze Vorlage – ein Herzenswunsch, seit Jahren – aufs Spiel setzen wird.
Der Segen von links
Auf der Gegenseite sieht es ebenfalls nicht schlecht aus: Zwar ist der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) aufgrund der befürchteten Einnahmeausfälle grundsätzlich «skeptisch» gegenüber der Abschaffung des Eigenmietwerts.
Michael Töngi (57, Grüne), Nationalrat und MV-Vizepräsident, sagt jedoch auf Anfrage von Blick: «Mit der vorliegenden Variante gibt es sicher weniger Gründe, ein Referendum zu unterstützen als bei anderen Varianten mit viel höheren Ausfällen.»
Ein Schlachtruf klingt anders. Die Chancen für eine Abschaffung des Eigenmietwerts scheinen damit intakt.
Mehr zum Eigenmietwert
Widerstand droht jedoch von den Kantonen, insbesondere von jenen mit vielen Ferienwohnungen. Sie befürchten Steuerausfälle und waren deshalb von Beginn weg gegen eine Abschaffung des Eigenmietwerts.
Die Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK), der Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Tessin und Wallis angehören, hielt im Januar 2024 in einem Schreiben an die Wirtschaftskommission des Nationalrats fest, es sei «zwingend am heutigen System festzuhalten».
Einzig für die ursprüngliche Variante des Ständerats, welche die Eigenmietwertbesteuerung für Zweitwohnungen beibehalten wollte, liess die RKGK einen Türspalt offen: Diese könne «im Sinne einer Notlösung» hingenommen werden.
«Nach wie vor kritisch»
Nun ist sogar diese «Notlösung» vom Tisch. Stattdessen soll eine «Objektsteuer» für Zweitliegenschaften eingeführt werden, als Kompensationsmöglichkeit für die drohenden Steuerausfälle.
An dieser Variante liessen die Gebirgskantone in ihrer Vernehmlassungsantwort Anfang Jahr aber kein gutes Haar und bezeichneten sie als «höchst fragwürdig» sowie «den heutigen verfassungsrechtlichen Grundsätzen der Allgemeinheit, der Gleichmässigkeit sowie der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widersprechend».
Werden die Bergkantone demnach zum Widerstand aufrufen, wenn das Parlament die Abschaffung des Eigenmietwerts durchzieht?
Carmelia Maissen (47), Bündner Regierungsrätin und RKGK-Präsidentin, will sich dazu noch nicht äussern. Die Gebirgskantone treffen sich aber kommende Woche in Altdorf UR, um über die Vorlage und das weitere Vorgehen zu sprechen.
Eine Kurzumfrage von Blick bei den einzelnen Bergkantonen zeigt, dass die Skepsis noch immer gross ist.
Obwalden zum Beispiel beurteilt einen Systemwechsel mit der Einführung einer Objektsteuer «nach wie vor kritisch». In der Ostschweiz klingt es nicht besser. Ruedi Eberle (57, SVP), Säckelmeister in Appenzell Innerrhoden, sagt klipp und klar: «Wir bleiben bei unserer bisherigen Haltung und lehnen einen Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung ab.» Diese habe sich bewährt.