Auf einen Blick
Es wirkte fast schon wie die Quadratur des Kreises. Mehr als sieben Jahre schon feilscht das Parlament um eine Änderung, die für Hausbesitzer grosse Auswirkungen haben würde: Der umstrittene Eigenmietwert soll weg.
Während sich eine Mehrheit grundsätzlich einig ist, dass der «alte Zopf» abgeschnitten gehört, konnte man sich bisher nicht einigen, wie genau die Alternative aussehen soll. Nun aber scheint die Lösung im Streit um den Eigenmietwert mit dem Einlenken der vorberatenden Ständeratskommission tatsächlich auf der Zielgeraden zu sein. Wie sieht der Kompromiss aus? Und was würde eine Abschaffung für Hausbesitzer bedeuten? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum seit Jahren tobenden Eigenmietwert-Streit.
Eigenmietwert – was ist das überhaupt?
Der Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen, das Hauseigentümer zusätzlich zum tatsächlichen Einkommen versteuern müssen. Berechnet wird er unter anderem aufgrund von Grösse, Lage und Baujahr der Immobilie. Der Eigenmietwert entspricht in der Regel 60 bis 70 Prozent der Einnahmen, die ein Eigentümer erzielen würde, wenn er die Wohnung oder das Haus nicht selbst bewohnen, sondern vermieten würde.
Warum soll der Eigenmietwert weg?
Die Bürgerlichen halten den Eigenmietwert, der 1934 einst als vorübergehende Notsteuer eingeführt worden war, für einen alten Zopf, der abgeschnitten gehört. Dieser benachteilige Hausbesitzer – auch wenn sie als Ausgleich diverse Abzüge machen können, zum Beispiel für Unterhaltsarbeiten und die Hypothekarzinsen. Ausserdem setze das heutige System falsche Anreize, weil es sich finanziell lohnt, sich zu verschulden.
Auch die linken Parteien haben schon die Abschaffung des Eigenmietwerts gefordert. Doch für sie kommt dies nur infrage, wenn im gleichen Zug sämtliche Steuerabzüge, die Hauseigentümer heute machen können, gestrichen werden.
Was steht jetzt konkret zur Debatte?
Es gab schon mehrere Anläufe, den Eigenmietwert abzuschaffen – alle sind gescheitert. 2017 hat die Wirtschaftskommission des Ständerats einen neuen Versuch gestartet. Doch seither ringen National- und Ständerat um die konkreten Modalitäten.
Der Nationalrat beharrt darauf, dass der Eigenmietwert komplett fällt, auch für Zweitliegenschaften. Der Ständerat hingegen wollte bisher, dass er bei Zweitwohnungen weiterhin angewandt wird, da eine Abschaffung mit erheblichen Steuerausfällen für die Kantone verbunden wäre, besonders für die Tourismuskantone mit vielen Zweitwohnungen. Nun aber schwenkt die vorberatende Wirtschaftskommission auf die Nationalratslösung ein.
Der zweite Streitpunkt sind die Steuerabzüge. Einig ist man sich, dass als Ausgleich zur Abschaffung des Eigenmietwerts ein Teil der Abzüge für Hausbesitzer abgeschafft werden soll, so beispielsweise die Abzüge für Renovationen und Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen. Kosten für denkmalpflegerische Arbeiten aber sollen weiterhin abziehbar sein. Ausserdem soll es einen befristeten Abzug geben für jene, die eben erst ein Haus oder eine Wohnung gekauft haben. Doch was ist mit den Schuldzinsen? Heute dürfen beispielsweise auch die Hypothekarzinsen von den Steuern abgezogen werden. National- und Ständerat streiten sich, inwiefern das künftig noch erlaubt sein soll. Wobei der Nationalrat am Mittwoch für eine restriktivere – aber auch deutlich kompliziertere – Regelung plädiert hat als der Ständerat. Auch hier möchte die Ständeratskommission einlenken.
Was würde die Abschaffung unter dem Strich für Hausbesitzer bedeuten?
Die finanziellen Folgen hängen stark vom Zinsniveau ab – und natürlich davon, auf welche Variante sich das Parlament am Schluss einigt. Fest steht: Je höher die Hypothekarzinsen, desto negativer wirkt sich die Reform auf Hauseigentümer aus. Dies, weil die Zinsen künftig nicht mehr in gleichem Umfang von den Steuern abgezogen werden könnten. Im aktuellen Zinsumfeld – der Zinssatz für eine 10-jährige Festhypothek liegt meist unter 2 Prozent – käme die Abschaffung des Eigenmietwerts Hausbesitzern zugute.
Und was heisst es für den Bund?
Der Bund rechnet damit, dass der Vorschlag des Nationalrats für den Bund Mindereinnahmen von rund 430 Millionen Franken pro Jahr bedeuten dürfte. Die Variante, die der Ständerat bevorzugt, würde zu etwa 610 Millionen Franken weniger Steuereinnahmen führen. Dies bei einem Zinsniveau von 1,5 Prozent. Steigen die Zinsen, werden aus den Minder- aber plötzlich Mehreinnahmen für den Bund.
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Unterstützen auch die Linken die Abschaffung?
SP und Grüne sind grundsätzlich sehr skeptisch. Eine Abschaffung des Eigenmietwerts kommt für sie nur infrage, wenn der Systemwechsel komplett ist und auch möglichst alle Steuerabzüge gestrichen werden. Dem Vorschlag des Nationalrats haben aber auch sie zugestimmt.
Wie geht es jetzt weiter?
Weil sich National- und Ständerat bisher nicht einigen konnten, geht das Geschäft noch einmal zurück in den Ständerat. Er dürfte sich im Dezember wieder damit befassen. Möglich, dass sich mit dem Einlenken seiner Wirtschaftskommission nun doch plötzlich ein Konsens abzeichnet. Ebenfalls möglich aber ist es, dass Linke das Referendum gegen die Eigenmietwert-Abschaffung ergreifen werden – je nachdem, auf welche Variante man sich einigt. Bürgerliche warnten auch deshalb davor, das Fuder zu überladen. Noch ist der Systemwechsel nicht in trockenen Tüchern.