Alles, was du zur Vorlage wissen musst
So geht es bei der Eigenmietwert-Abschaffung weiter

Zig Anläufe hat das Parlament schon genommen, den Eigenmietwert abzuschaffen. Nun hat der jahrelange Streit tatsächlich bald ein Ende. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Plänen des Parlaments.
Publiziert: 18.12.2024 um 16:04 Uhr
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Aktualisiert: 19.12.2024 um 15:56 Uhr
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1,4 Millionen Haushalte in der Schweiz besitzen Wohneigentum.
Foto: Zamir Loshi

Auf einen Blick

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Der Krimi um die Abschaffung des Eigenmietwerts ist entschieden: Das Parlament gibt grünes Licht für die vollständige Abschaffung! Mehr als sieben Jahre haben National- und Ständerat um den Systemwechsel gefeilscht, der für Hausbesitzer grosse Auswirkungen haben wird.

Während sich eine Mehrheit im Parlament grundsätzlich einig war, dass der «alte Zopf» abgeschnitten gehört, stritten sich die beiden Räte bis zuletzt um die Details. Insbesondere darum, ob der Eigenmietwert nur für Erst- oder auch Zweitwohnungen fallen soll.

Am Schluss war gar eine Einigungskonferenz nötig, in welcher sich die Nationalratsvariante mit einem vollständigen Systemwechsel durchsetzte. Der Ständerat hat den Vorschlag mit 22 zu 15 Stimmen bei sechs Enthaltungen angenommen, der Nationalrat mit 114 zu 57 Stimmen bei 19 Enthaltungen. Auch die Möglichkeit für die Kantone, neu eine Objektsteuer auf Zweitwohnungen einzuführen, kam durch. Als letzte parlamentarische Hürde bleibt die Schlussabstimmung vom Freitag.

Wie sieht der Kompromiss aus? Und was würde eine Abschaffung für Hausbesitzer bedeuten? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum seit Jahren tobenden Eigenmietwert-Streit.

Eigenmietwert – was ist das überhaupt?

Der Eigenmietwert ist ein fiktives Einkommen, das Hauseigentümer zusätzlich zum tatsächlichen Einkommen versteuern müssen. Berechnet wird er unter anderem aufgrund von Grösse, Lage und Baujahr der Immobilie. Der Eigenmietwert entspricht in der Regel 60 bis 70 Prozent der Einnahmen, die ein Eigentümer erzielen würde, wenn er die Wohnung oder das Haus nicht selbst bewohnen, sondern vermieten würde.

Warum soll der Eigenmietwert weg?

Die Bürgerlichen halten den Eigenmietwert, der 1934 einst als vorübergehende Notsteuer eingeführt worden war, für einen alten Zopf, der abgeschnitten gehört. Dieser benachteilige Hausbesitzer – auch wenn sie als Ausgleich diverse Abzüge machen können, zum Beispiel für Unterhaltsarbeiten und die Hypothekarzinsen. Ausserdem setze das heutige System falsche Anreize, weil es sich finanziell lohnt, sich zu verschulden.

Auch die linken Parteien haben schon die Abschaffung des Eigenmietwerts gefordert. Doch für sie kommt dies nur infrage, wenn im gleichen Zug sämtliche Steuerabzüge, die Hauseigentümer heute machen können, gestrichen werden.

Was wurde nun konkret beschlossen?

Es gab schon mehrere Anläufe, den Eigenmietwert abzuschaffen – alle sind gescheitert. 2017 startete die Wirtschaftskommission des Ständerats einen neuen Versuch. Nach langem Hin und Her liegt das Resultat nun vor: das Bundesgesetz über den Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung.

Das Parlament hat entschieden, dass der Eigenmietwert komplett fällt, auch für Zweitliegenschaften. Der Ständerat wollte eigentlich, dass er bei Zweitwohnungen weiterhin angewandt wird, da eine Abschaffung mit erheblichen Steuerausfällen für die Kantone verbunden wäre, besonders für die Tourismuskantone mit vielen Zweitwohnungen. Zuletzt biss die kleine Kammer aber in den sauren Apfel, um die Vorlage als Ganzes nicht zu gefährden.

Der zweite Streitpunkt waren die Steuerabzüge. Einig war man sich, dass als Ausgleich zur Abschaffung des Eigenmietwerts ein Teil der Abzüge für Hausbesitzer abgeschafft werden soll, so beispielsweise die Abzüge für Renovationen und Energiespar- und Umweltschutzmassnahmen. Kosten für denkmalpflegerische Arbeiten aber sollen weiterhin abziehbar sein. Ausserdem soll es einen befristeten Abzug geben für jene, die eben erst ein Haus oder eine Wohnung gekauft haben.

Doch was ist mit den Schuldzinsen? Heute dürfen beispielsweise auch die Hypothekarzinsen von den Steuern abgezogen werden. Auf der Zielgeraden setzte sich auch hier die Nationalratsvariante durch. Diese ist restriktiver, aber auch deutlich komplizierter. Sie setzt nämlich auf eine quotal-restriktive Berechnungsmethode. Dabei ergibt sich die Höhe des Schuldzinsenabzugs aus der Quote von unbeweglichem Vermögen am Gesamtvermögen.

Was würde die Abschaffung unter dem Strich für Hausbesitzer bedeuten?

Die finanziellen Folgen hängen stark vom Zinsniveau ab. Je höher die Hypothekarzinsen, desto negativer wirkt sich die Reform auf Hauseigentümer aus. Dies, weil die Zinsen künftig nicht mehr in gleichem Umfang von den Steuern abgezogen werden könnten.

Im aktuellen Zinsumfeld – der Zinssatz für eine 10-jährige Festhypothek liegt meist unter 2 Prozent – käme die Abschaffung des Eigenmietwerts Hausbesitzern zugute.

Und was heisst es für den Bund?

Der Bund rechnet damit, dass der jetzige Vorschlag für den Bund Mindereinnahmen von rund 430 Millionen Franken pro Jahr bedeuten dürfte. Für die Kantone wären es 1,2 Milliarden Franken weniger. Dies bei einem Zinsniveau von 1,5 Prozent.

Steigen die Zinsen, werden aus den Minder- aber plötzlich Mehreinnahmen. Der Kipppunkt liegt bei gut 2,8 Prozent. Steigt das Zinsniveau beispielsweise auf 3,5 Prozent, kann der Bund mit Zusatzeinnahmen von 280 Millionen Franken rechnen, die Kantone dürften sich über fast eine halbe Milliarde mehr freuen.

Wer ist gegen die Abschaffung

Für SP und Grüne kommt eine Abschaffung des Eigenmietwerts nur infrage, wenn der Systemwechsel komplett ist und auch möglichst alle Steuerabzüge gestrichen werden. Die jetzige Vorlage genügt ihnen diesbezüglich nicht. Sie habe zu viele Nebenwirkungen, so SP-Co-Fraktionschef Samuel Bendahan (44, VD). Dabei verwies er auch auf die Steuerausfälle bei Bund und Kantonen. Für ihn ist zudem klar: «Die Mieterinnen und Mieter sind auf der Verliererseite.»

Auch der Mieterverband stellt sich gegen die Vorlage. Kritik kommt zudem von der Energielobby und aus der Gebäudebranche. Wird der Eigenmietwert nämlich gestrichen, gibt es keinen Steuerabzug beim Gebäudeunterhalt. Man befürchtet, dass ohne Steuerabzug Hausbesitzer ihre Gebäude seltener energetisch sanieren lassen.

Was bekommen die Kantone als Zückerchen?

Die Gebirgskantone haben sich im Vorfeld gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts bei Zweitwohnungen gewehrt. Für die Kantone soll es aber ein Zückerchen geben. Um die durch die Eigenmietwert-Abschaffung wegfallenden Einnahmen zumindest teilweise wettzumachen, sollen diese freiwillig eine neue Objektsteuer für Zweitwohnungen einführen können.

Zudem werden die beiden Vorlagen miteinander verknüpft: Die Eigenmietwert-Abschaffung würde also nur umgesetzt, wenn auch die Objektsteuer von Volk und Ständen gutgeheissen wird.

Wie geht es jetzt weiter?

Beide Vorlagen kommen am Freitag in die Schlussabstimmung. Dann ist der Weg frei für eine Volksabstimmung.

Bei einer Verknüpfung kommt die neue Objektsteuer obligatorisch vors Volk – ohne dass dafür extra Unterschriften gesammelt werden müssen. Falls nur das Bundesgesetz übrig bleibt, ist das Referendum seitens des Mieterverbands bereits angekündigt. Dann müssen 50'000 Unterschriften für das Referendum gesammelt werden.

Im Verlauf des nächsten Jahres dürfte das Stimmvolk darüber entscheiden – frühestens im Mai, wohl eher aber in der zweiten Jahreshälfte. Die Erfolgschancen sind ungewiss, ist die Abschaffung des umstrittenen Eigenmietwertes doch schon zweimal an der Urne gescheitert.

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