Vor drei Jahren erst hat der Kanton Aargau bei der Einbürgerung die Schrauben angezogen. Nun will das Kantonsparlament die Voraussetzungen für den roten Pass weiter verschärfen.
Neu soll im Kanton Aargau nur noch Chancen aufs Bürgerrecht haben, wer mündlich mindestens das Deutsch-Niveau B2 beherrscht, also fast fliessend Deutsch spricht. Heute reicht es, wenn man sich zu vertrauten Themen unterhalten kann.
Ausserdem könnte künftig bereits ein kleiner Tolggen im Strafregister den Weg zum Schweizer Pass auf Jahre verbauen. Der Aargauer Grosse Rat will, dass auch vergleichsweise harmlose Übertretungen automatisch zum Ausschlusskriterium werden. Das hat das Aargauer Kantonsparlament am Dienstag entschieden und entsprechende Gesetzesänderungen in Auftrag gegeben.
Diese Kantone sind am strengsten
Aus einem jetzt schon im Vergleich zu anderen Kantonen sehr strengen Einbürgerungsregime werde damit ein «äusserst restriktives», sagt Barbara von Rütte, die am Europainstitut der Uni Basel zum Thema Bürgerrecht forscht. Obwohl man 2018 die Einbürgerungsverfahren schweizweit verschärft und ein Stück weit harmonisiert hat, bestehen noch immer riesige Unterschiede zwischen den Kantonen und Gemeinden.
In den meisten Kantonen beispielsweise gilt die Bedingung, dass man in den letzten drei Jahren vor Einreichen des Einbürgerungsgesuchs keine Sozialhilfe bezogen haben darf. Im Aargau hingegen – wie in Bern und Graubünden – schauen die Behörden die letzten zehn Jahre an.
So strenge Voraussetzungen an die mündlichen Deutschkenntnisse, wie sie neu im Aargau gelten sollen, kennen zudem nur Schwyz, Nidwalden und Thurgau. Was mögliche Vorstrafen betrifft, ist Bürgerrechtsexpertin von Rütte kein Kanton bekannt, der so strenge Regeln hat, wie sie der Aargau nun einführen will.
Verstoss gegen Verfassung?
Sie könnten sogar härter sein, als es die Verfassung erlaubt. Der Aargauer Regierungsrat Dieter Egli (53) gab in der Parlamentsdebatte zu bedenken, dass ein so striktes Gesetz gegen das Gebot der Verhältnismässigkeit verstossen würde. Auch Juristin Barbara Rütte hält dies für möglich.
«Es kommt ganz darauf an, wie die Verschärfung genau umgesetzt wird. Eine Blanko-Sperre bei sämtlichen Straffälligkeiten, auch bei Bagatelldelikten, die lange zurückliegen, wäre tatsächlich problematisch», meint sie. Die Wahrscheinlichkeit sei gross, dass ein solcher Entscheid vor Gericht angefochten würde. Und dass das Gericht ihn kassieren würde.
Der lange Weg zum roten Pass
«Das schwächt die Demokratie»
Nicht nur im Aargau will die Politik die Einbürgerungshürden höher stecken. Auch in Zug stehen Verschärfungen zur Debatte.
Expertin von Rütte beobachtet mit Blick auf die vergangenen Jahre einen klaren Trend in Richtung immer strengerer Einbürgerungsgesetze. «Das Resultat ist, dass heute fast nur noch hochqualifizierte Menschen aus EU- und Efta-Staaten die Chance haben, eingebürgert zu werden.» Dies ist aus ihrer Sicht gefährlich. «Wenn man längerfristig so viele Menschen ausschliesst vom Bürgerrecht, dann schwächt das die Demokratie.»
Dabei würden viele Studien zeigen, dass eine Einbürgerung die Integration massiv fördere. Nach fünf Jahren, so von Rütte, hätten Eingebürgerte ein deutlich höheres Einkommen. «Darum ist es eigentlich sinnvoll, Migranten das Bürgerrecht zu erteilen.»