Die Schweiz wächst und wächst – und das im Rekordtempo. 8,96 Millionen Menschen zählte die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz Ende 2023, wie das Bundesamt für Statistik vermeldete. Ein Zuwachs von 1,6 Prozent. Fast doppelt so stark wie 2022. Und: Das Wachstum fiel so markant aus wie seit Beginn der 1960er-Jahre nicht mehr.
Insgesamt wanderten rund 263'800 Personen in die Schweiz ein, und 121'600 Personen verliessen das Land. Der sogenannte Wanderungssaldo stieg damit auf 142'300 Menschen. Für den Schub sorgten dabei auch ukrainische Flüchtlinge – ohne diese hätte sich die Bevölkerungszahl nur um 1 Prozent erhöht.
Wasser auf die Mühlen der SVP, der die starke Zuwanderung ein Dorn im Auge ist. Ihre Volksinitiative gegen eine 10-Millionen-Schweiz hat sie diese Woche mit 114'600 Unterschriften eingereicht.
Economiesuisse sieht zu rasches Tempo
Die Entwicklung macht nicht nur der SVP Sorgen. Jetzt wächst auch in der Wirtschaft die Skepsis. Die Zuwanderung sei zwar ein Segen für den Wohlstand der Schweiz, betont Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder (64) gegenüber der SRF-Sendung «10vor10». Doch er äussert nun auch Bedenken.
Die allgemeine Befindlichkeit zeige, dass die Schweiz eine zu hohe und zu schnelle Zuwanderung erlebe, so Mäder. «Ich glaube, wir haben eine gewisse Grenze überschritten», erklärt er. Das Zuwanderungstempo sei wohl zu rasch gewesen. Daher könne man nicht mehr der grenzenlosen Zuwanderung das Wort reden, sondern müssen respektieren, dass es Massnahmen brauche.
Mehr zur Zuwanderung
Das habe auch Auswirkungen auf die Verhandlungen, die der Bundesrat mit der EU über den künftigen bilateralen Weg führt, so Mäder mit Verweis auf den hohen Ausländeranteil von rund 27 Prozent. Er denkt dabei etwa an Schutzklauseln im Bereich der Zuwanderung.
SP-Badran kritisiert im Steuerdumping
Doch auch auf linker Seite gibt es warnende Stimmen. Allen voran SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (62, ZH). «Die hohe Zuwanderung hat ihren Preis, sie hat reale Kosten zur Folge», sagt sie gegenüber SRF. Insbesondere beim Ausbau der Infrastruktur kämen die Städte kaum mehr hinterher. «Darüber wurde bisher viel zu wenig gesprochen, und darüber redet man auch heute noch immer viel zu wenig.»
Im Gegensatz zur SVP sieht sie aber nicht in der Personenfreizügigkeit – «ein sehr gutes Konstrukt» – das Problem, sondern in der Steuerdumping-Politik. Das ziehe Grosskonzerne an, welche ausländische Arbeitskräfte nachziehen würden. Das habe eine weitere Zuwanderung – etwa über Familiennachzug – zur Folge. (rus)