Die Diskussion über das Gesundheitswesen wird, gerade auch aktuell vor der Abstimmung vom 9. Juni, von der Kostenfrage bestimmt. Dabei warnen Experten schon, dass man sich eher um die Versorgungssicherheit kümmern sollte. Angesichts einer alternden und wachsenden Bevölkerung sei die Frage nicht, was Gesundheitsversorgung kostet, sondern, ob es noch genügend Versorgung gibt.
In diesen Kanon stimmt nun der Berner Uniprofessor Sven Streit ein. Denn in den nächsten zehn Jahren werde fast die Hälfte der heutigen Fachärztinnen und Fachärzte für Allgemeine Innere Medizin in der Schweiz aufhören, vor allem aus Altersgründen. Das hat die Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin in einer Mitgliederbefragung herausgefunden.
Weniger Interesse an Fachrichtung
«Wir konnten berechnen, dass in den nächsten zehn Jahren 44 Prozent der Arbeitskräfte in der Allgemeinen Inneren Medizin verschwinden werden – hauptsächlich durch Pensionierungen», so Streit gegenüber dem «Tages-Anzeiger». 2300 Vollzeitstellen würden wegfallen.
Besonders brisant ist das, weil damit die Grundversorgung geschwächt wird. Internisten arbeiten häufig als Hausärzte. Und Streit hat Sorge, dass die Lücke hier nicht gefüllt werden könnte. Noch vor wenigen Jahren habe es reges Interesse an der Fachrichtung gegeben. «Aber in einer kürzlich lancierten Umfrage der Studierenden selbst haben 37 Prozent angegeben, dass sie sich ernsthaft überlegen, gar nie als Ärztin oder Arzt tätig zu werden. Sollte sich das bewahrheiten, haben wir praktisch keine Chance, die künftigen Abgänge zu ersetzen.»
Schon lange bekanntes Thema
Die Auswirkungen wären gravierend: Pro Patient bliebe dann einfach weniger Zeit und insbesondere in ländlichen Regionen drohe eine Unterversorgung. Um Gegensteuer zu geben, fordert der Experte eine Erhöhung der Studienplätze.
Pikant: Erst vor zehn Jahren beschäftigte sich die Schweiz mit dem Problem, nachdem die Haus- und Kinderärzte eine Volksinitiative zur Stärkung der Hausarztmedizin eingereicht hatten. Grund dafür waren schon damals massive Sorgen um den Nachwuchs. Damals wurde ein Masterplan Hausarztmedizin lanciert. Offenbar mit zu wenig Erfolg.