23 Millionen Cyberangriffe auf die Stadt Bern im vergangenen Jahr. Mit dieser Aussage schreckte der Stadtpräsident Alec von Graffenried (61) auf. Die IT-Infrastruktur der Stadt sei «ständig im Verteidigungsmodus», sagte er an einer Medienkonferenz. «Die Frage ist nicht, ob wir angegriffen werden, sondern: Wann ist der erste Angriff erfolgreich?»
Auf Blick-Nachfrage relativiert die Stadt: Es handle sich bei den 23 Millionen Angriffen um eine Systemzählung. «So kann ein Angriff mit einem Ursprung zu unzähligen ‹Angriffen› in den Systemen führen.» Wie viele Einzelangriffe es waren, kann die Stadt nicht sagen, weil es sich um automatisierte Angriffe handle.
Nicht nur Städte betroffen
Doch Bern ist nicht alleine, das zeigt eine kleine Umfrage bei grossen Städten. Die Stadt Zürich schreibt von zwei bis vier zielgerichteten Cyberangriffsversuchen pro Tag. Der Kanton Basel-Stadt schreibt von 200'000 Angriffsversuchen allein im Januar 2024. Die Zahlen lassen sich aber nur schwierig miteinander vergleichen, weil die Angriffe unterschiedlich gezählt würden, schreibt Basel-Stadt.
Doch klar ist: Nicht nur für die grossen Städte ist die Cybersicherheit eine Herausforderung, sondern auch für kleine Gemeinden. Bruno Tüscher (39) ist Informatiker und gleichzeitig Gemeindeammann von Münchwilen AG. Er erachtet die Gefahr von Cyberangriffen auf Gemeinden sogar höher als jene auf kleine Unternehmen. Verschiedene Systeme von Gemeinden, wie die Stromversorgung oder die Strassenbeleuchtung, seien mit dem Internet verbunden. «Mittels Cyberangriffen könnte so theoretisch flächendeckend die Trinkwasserversorgung behindert oder gar abgestellt werden», sagt er zu Blick. So könne rasch ein physischer Schaden entstehen.
Doch auch die klassische Erpressung ist denkbar. «Fliessen Daten ab, welche kombiniert Informationen über den einzelnen Bürger ans Tageslicht führen, ist mit einem starken Vertrauensverlust in die Verwaltung zu rechnen», sagt Tüscher.
Grösste Gefahr Mitarbeiter
Im Unterschied zu den grossen Städten wie Bern sind die kleineren Gemeinden oftmals mit weniger Personal und damit Fachkräften ausgestattet. «Oftmals sind kleine Gemeinden bei einem IT-Dienstleister im Rechenzentrum eingekauft», erklärt Tüscher.
Wichtig sei aber auch das Personal. «In Münchwilen haben wir hier eine Kampagne durchgeführt, welche Lücken aufgezeigt hatte.» So zum Beispiel beim Anklicken von Links in E-Mails oder dem Download von Dokumenten. «In meinen Augen geht die grösste Gefahr von Fehlverhalten aus, welche Türen zu Systemen öffnen.»
Kosten unklar
Was es bedeutet, wenn eine Gemeinde gehackt wird, erlebte Rolle VD. 2021 wurden ihr zwei Monate lang Daten gestohlen. Diese landeten im Darknet.
Wie viel Geld die Abwehr von Cyberangriffen kostet, ist unklar. Die angefragten Städte und Gemeinden können oder wollen keine detaillierten Kosten nennen. Auch aus taktischen Gründen, weil IT-Profis daraus schliessen, wie umfangreich das Sicherheitsdispositiv ist, antwortet die Stadt Bern. Klar ist nur: In den nächsten Jahren dürften die Kosten weiter steigen.