19-Grad-Verordnung mit Tücken
Drohende Verbote des Bundes sorgen für Diskussionen

Bei einer drohenden Gasmangellage will der Bund mit Verboten und Einschränkungen durchgreifen. Das sorgte für Diskussionsstoff in der Verwaltung. Besonders, ob auch Privathaushalte in die Pflicht genommen werden sollen.
Publiziert: 01.10.2022 um 13:30 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2022 um 13:53 Uhr
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Die 19-Grad-Regel sorgte in der Bundesverwaltung für Diskussionstoff.
Foto: Sven Thomann
Ruedi Studer

Wird Gas knapp, drohen Verbote und Einschränkungen für alle. In mit Gas beheizten Gebäuden dürften die Innenräume höchstens auf 19 Grad gebracht werden. Warmwasser dürfte nur noch auf 60 Grad erwärmt werden. Saunas und Schwimmbecken müssten kalt bleiben. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, kann bestraft werden.

So sieht es die Gasverordnung vor, die der Bundesrat entworfen hat. Ein Papier mit Tücken. Das zeigen nicht nur die Rückmeldungen der Kantone, sondern auch die verwaltungsinterne Ämterkonsultation, die Blick vorliegt.

Heikle 19-Grad-Regel

Für Diskussionsstoff sorgten die 19-Grad-Regel und das Heizverbot für gewisse Räume. Das Bundesamt für Justiz machte sich grundsätzliche Sorgen um die Verhältnismässigkeit solcher Vorgaben – zumindest im Privatbereich. Immerhin handle es sich um einen Eingriff in die persönliche Freiheit und die Privatsphäre.

Nach einigen Abklärungen kamen die Juristen zum Schluss, dass eine Temperaturbeschränkung in privaten Wohnungen zwar verhältnismässig sei. Aber: «Ob dies indessen ein weiser Entscheid ist, sich dergestalt schon in einem ersten Schritt in die Privatsphäre einzumischen, ist mindestens fraglich.»

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Als «nicht verhältnismässig» taxierte das Bundesamt ein mögliches Heizverbot für nicht genutzte private Innenräume – wie beispielsweise Ferienwohnungen. «Es gibt Gebäude, die in kalten Wintern kaputtgehen, wenn sie nicht geheizt werden», warnte das Amt. Etwa wegen Feuchtigkeitsschäden.

Was gilt bei Homeoffice?

Auch die Bundeskanzlei ortete Unklarheiten bei der 19-Grad-Regel. Eine Variante sah nämlich vor, dass diese allenfalls nur für «zur Arbeit genutzte Innenräume» gelten sollte. Da kam in der Verwaltung rasch die Frage nach einer klaren Abgrenzung auf. Was beispielsweise gilt bei Homeoffice? Oder: «Worunter fällt die Arbeit einer Hausfrau?», gab die Bundeskanzlei zu bedenken.

Ebenso warf sie beim Heizverbot ein, dass unklar sei, wann ein Innenraum als «nicht genutzt» gilt. «Was ist zum Beispiel mit einem Wartesaal am Bahnhof?» Die Bundeskanzlei hinterfragte auch das einst angedachte Heizverbot für Treibhäuser von Verkaufsgeschäften, die nicht der Lebensmittelversorgung dienen.

Was, wenn es ohne Gas zu warm wird?

Das Bundesamt für Energie wiederum warf ein, dass die Raumtemperatur selbst bei abgestellter Gasheizung über 19 Grad steigen könne. Etwa bei einer gut isolierten Wohnung oder einer Zusatzheizung wie ein Kaminfeuer. Ebenso in Mehrfamilienhäusern, wo eine Wohnung von ihrem Nachbarn «geheizt» werde.

«In einer solchen Situation wäre es unfair, eine Wohnung zu bestrafen, die nur wenig oder gar kein Gas verwendet, deren Temperatur aber die Anforderungen übersteigt.» Das Amt schlug deshalb vor, «dass Strafen von Fall zu Fall festgelegt werden und dass Ausnahmen zugelassen werden können».

Ineffiziente Kontrollen

Sowieso: Kontrollen und Strafen für Energiesünder – für die Verantwortlichen ein Minenfeld. Darauf machte auch das Bundesamt für Justiz aufmerksam. In seiner Stellungnahme warf es ein, dass zumindest für private Räume Appelle an die Bevölkerung möglicherweise «gleich geeignet wie ein Verbot wären, man aber auf die eher ineffizienten stichprobenartigen Kontrollen verzichten könnte».

Selbst Parmelin räumte in seinem Aussprachepapier an die Regierungskollegen ein, dass die Kontrollierbarkeit in Privathaushalten «fraglich» sei. Umso weniger verwundert es, dass die für den Vollzug zuständigen Kantone ein grosses Fragezeichen setzen und auf die Einführung von Ordnungsbussen pochen, um so aufwändige Strafverfahren zu verhindern.

Tatsächlich stiessen einige Einwände bei Parmelins Beamten auf Widerhall und wurden im jüngsten Verordnungsentwurf entsprechend angepasst. Dass weiterhin gewisse Abgrenzungsprobleme bestehen, räumen sie aber ein. So sei das Kriterium «ungenutzt» bei Räumen schwierig zu umschreiben.

Parmelin setzte sich durch

Auch die Einwände bezüglich der Privathaushalte nahm Parmelin auf, indem er dem Bundesrat drei Varianten vorlegte. Erstens, ein gänzlicher Verzicht auf Verwendungsbeschränkungen. Zweitens, Einschränkungen nur für öffentlich zugängliche Räume und Räume von Betrieben, womit die Privathaushalte ausgenommen worden wären.

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Drittens schliesslich die von Parmelin beantragte Variante, welche auch Privathaushalte einbezieht. Er monierte, dass die Privaten für 40 Prozent des schweizerischen Gasverbrauchs verantwortlich seien. «Eine substanzielle Reduktion des Gasverbrauchs ist deshalb ohne Einbezug der Haushalte nicht möglich.» Entsprechende Einschränkungen seien daher «notwendige und angemessene Instrumente» im Falle einer extremen Mangellage.

«Damit sollen möglichst lange eine drastische Kontingentierung, die die Versorgung auch mit anderen essenziellen Gütern gefährden könnte, sowie Netzabschaltungen verhindert werde», argumentierte Parmelin bei seinen Gspänli – mit Erfolg. Und immer mit dem Hinweis, dass die Verordnung sowieso stets auf die jeweilige konkrete Mangellage angepasst wird.


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